Weil wir alle hin und wieder in diese Situation kommen…

Eigentlich war für heute ein anderer Blogartikel geplant, aber angesichts der aktuellen Ereignisse in NRW habe ich mich spontan dazu entschieden, einen anderen Gedanken aufzugreifen.

Wie du vielleicht mitbekommen hast, herrscht seit Mittwoch (dem 14.07.2021) eine sogenannte „Jahrhundertkatastrophe“ in den meisten Teilen von NRW. Anhaltender Starkregen hat zu extremem Hochwasser geführt, welches immense Schäden von noch unbekanntem Ausmaß verursacht hat und aktuell weiterhin verursacht. Warum mich das bewegt? Weil ich mittendrin stecke und miterlebe, wie aktuell für tausende Mitmenschen eine Welt zusammenbricht.

Allen Mitlesenden möchte ich am Rande versichern, dass es mir gut geht. Ich habe sehr viel Glück gehabt und angesichts der vielen Tragödien in meinem Umfeld werde ich mich nicht über ein paar Sachschäden beschweren.

Nun ist es so, dass jeden Tag irgendwo Katastrophen geschehen. Mal ist es eine „kleine“ persönliche Katastrophe im Leben eines Menschen und mal ist es eine Tragödie von weitaus größerem Ausmaß. Deshalb fühlt es sich für viele von uns wie Heuchelei an, traurig über etwas zu sein, das wir miterleben, wo es doch andernorts so viel schlimmere Ereignisse gibt. Verständlich. Allerdings ist die Distanz ein sehr wichtiger Faktor, wenn es um Empathie geht. Es ist schwer, Mitgefühl für etwas zu haben, das sehr weit entfernt geschieht und für uns nicht greifbar ist. Ganz anders sieht es jedoch aus, wenn das Drama sich um uns herum abspielt.

Alles ist weg

In den letzten beiden Tagen habe ich mit vielen Menschen gesprochen, die innerhalb weniger Stunden verloren haben, wofür sie jahrelang gearbeitet haben. Dinge, die sie über viele Jahre hinweg gesammelt haben. Einfach weg. Einfach so. Sie haben nicht nur Gegenstände verloren, sondern ganze Erinnerungen. Komfortzonen. Ein Zuhause. Ein ganzes Leben. Was für ein tragischer Verlust.

Angesichts dessen kann man das Gefühl haben, einfach alles verloren zu haben. So, als wäre nun das ganze Leben vorüber. Aber das stimmt nicht, denn das Leben geht weiter. So schwer es auch sein mag…

Es geht weiter

Es sind keine Gegenstände, die ein Zuhause ausmachen. Es sind keine Besitztümer, die einen Menschen ausmachen. Unsere Komfortzone ist nicht an einen Ort oder ein Grundstück gebunden.

Alles ist, was es ist und es hat nur den Wert, den wir ihm geben. Wir selbst sind der entscheidende Faktor. Wir entscheiden selbst, ob wir das Geschehene als endgültigen Zusammenbruch oder als temporäre Krise und Neuanfang betrachten. Wir entscheiden selbst, ob wir für den Rest unseres Lebens etwas Verlorenem hinterhertrauern oder uns darauf konzentrieren, etwas Neues zu beginnen.

Jeder von uns ist wie ein Vogel. Ein Vogel setzt sich nicht auf einen dünnen Ast, weil er darauf vertraut, dass der Ast ihn ewig halten wird. Er setzt sich dorthin, weil er sich selbst vertraut und genau weiß, dass er jederzeit wegfliegen kann, wenn der Ast unter ihm wegbricht. Wir sollten uns ein Beispiel daran nehmen. Wir sind nicht an Orte, Besitztümer oder Situationen gebunden. Wenn uns ein Ast unter den Füßen wegbricht, suchen wir uns einfach einen anderen. Einen stabileren, der vielleicht noch besser zu uns passt.

Unser geistiges Kapital, unser Intellekt, unsere liebenden Herzen und unser Zusammenhalt untereinander können nicht von Wassermassen oder anderen Katastrophen davongespült werden. Deshalb sollten wir diese Werte als unser Fundament betrachten. Es ist unerschütterlich und darauf können wir immer wieder neu bauen.

Zeit nehmen

All das wirkt wie ein schwacher Trost, wenn man inmitten einer Krise steckt. Auf dem Weg aus der Trauer sind diese Gedanken jedoch sehr wertvoll. Es ist wichtig, sich Zeit zu nehmen, um etwas Geschehenes zu verarbeiten und in Ruhe darüber nachzudenken. Es ist wichtig, sich vom Schock zu erholen und seine Gedanken neu zu sortieren. Noch viel wichtiger ist jedoch, sich und sein Leben nicht aufzugeben.

Damals, nach der vielleicht größten Katastrophe meines Lebens, habe ich mich gefragt: Wie macht man nach so etwas weiter? Einige Zeit später habe ich mich daran erinnert und mir eine Antwort gegeben: Indem man weitermacht.

Also, was immer auch geschieht: Das Leben geht weiter, also geh auch du weiter. Egal, wie schwer es auch sein mag. Es lohnt sich. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei.

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

 

Titelbild: Unsplash.com, Sarah Kilian