Hand aufs Herz: Wurden sie uns nicht allen verzapft?

Es gibt da draußen viele „Coaches“. Es gibt viele Bücher zur Persönlichkeitsentwicklung und ebenfalls sehr viele Seminare, die man besuchen kann, um glücklicher und selbstbewusster zu werden. Sie alle sind verschieden. Hinter ihnen stecken unterschiedliche Ansätze, Absichten, Persönlichkeiten und Methoden. Deshalb ist es nicht so einfach, sie auf simple Art und Weise zu klassifizieren. Ich möchte dennoch einen Versuch wagen und bin mal so frei, all diese „Expertenerzeugnisse“ in zwei verschiedene Kategorien zu unterteilen. Denn am Ende des Tages passt jedes davon, wirklich jedes, in eine der beiden Kategorien.

Es gibt Coachings, Seminare, Bücher, Blogs und Videos, die dich inspirieren und dir dabei helfen, an dir und deiner Situation zu arbeiten. Und dann gibt es noch Coachings, Seminare, Bücher, Blogs und Videos, bei denen dir ein Bär aufgebunden wird. Oder, um es ein wenig diplomatischer auszudrücken: Es wird dir eine Menge Blaues vom Himmel versprochen, damit du die Brieftasche öffnest und großzügig für die Abkürzung zu deinem Glück bezahlst.

Über solche falschen Versprechen möchte ich heute mit dir reden. Denn es gibt zu viele von ihnen.

Der Weg des geringsten Widerstands

Stell dir vor, du würdest abnehmen und gleichzeitig mehr Muskeln aufbauen wollen. Um deine Ziele schnellstmöglich zu erreichen, konsultierst du einen Profi, der dich beraten und unterstützen soll. Zur Auswahl stehen zwei verschiedene Coaches.

Der erste Coach sagt dir, dass du einen langen Weg vor dir hast. Er spricht von harter Arbeit und viel Disziplin. Bei eurem Erstgespräch geht es um Bestandsaufnahmen, Verhaltensanalysen, Ess- und Kaufgewohnheiten, Ernährungspläne, Trainingspläne und Zielsetzungen. Darüber hinaus eröffnet er dir, dass er dir nur sehr wenig beibringen wird, das du noch nicht weißt. Dir wird klar, dass die Zusammenarbeit mit ihm kein Zuckerschlecken sein wird.

Der zweite Coach ist da viel entspannter. Er verspricht dir, dir ein paar geheime Tricks und Übungen zu enthüllen, die die Wissenschaft vor der Öffentlichkeit verborgen hält. Diese ermöglichen es dir, mit nur 7 Minuten Aufwand am Tag, innerhalb kürzester Zeit einen Traumkörper aufzubauen. Damit das Ganze auch funktioniert, bekommst du zur Sicherheit eine Wunderpille mit auf den Weg, die deinen Stoffwechsel auf die bevorstehenden Änderungen vorbereiten soll. Die Zusammenarbeit mit dem zweiten Coach kostet deutlich mehr Geld. Dafür bekommst du jedoch echte Geheimtricks, ein Wundermittel und natürlich eine Abkürzung zum Erfolg.

Hand aufs Herz: Wessen Coaching wirkt auf den ersten Blick vielversprechender? Für die meisten Menschen ist es das Programm des zweiten Coaches. Warum? Weil wir das Gefühl bekommen, mit wenig Aufwand große Erfolge erzielen zu können. Dafür kann man auch mal deutlich mehr Geld investieren.

Die Wahrheit tut weh

Als Buchautor und Coach gehöre ich zur ersten Sorte. Sich auf mich einzulassen, ist hart. Warum? Etwa, weil ich so ein harter Typ bin? Nein. Es liegt daran, dass ich gerne mit der Wahrheit und Realität arbeite. Und die ist hart. Knallhart sogar. Sie zwingt uns zu der Erkenntnis, dass von nichts nun einmal nichts kommt. Wenn wir uns Jahre Zeit gelassen haben, um in eine bestimmte Situation zu kommen, werden wir auch etwas Zeit und Engagement investieren müssen, um die Lage wieder zu verändern. Es gibt gewisse Gesetzmäßigkeiten im Leben, die unumgänglich sind und das ist auch gut so.

So kannst du zum Beispiel nicht unter Wasser atmen und auch nicht fliegen. Genauso kannst du beim Bau einer Treppe nicht die erste Stufe mitten in der Luft ansetzen. Es geht einfach nicht. Und deshalb gibt es auch keine Abkürzungen, Geheimtricks oder Wundermittel zu deinem Erfolg. Alles ist eine Entwicklung und jede Entwicklung braucht Zeit. Die Frage ist, ob wir uns diese Zeit und Aufmerksamkeit dafür nehmen oder sie für falsche Versprechen verschwenden.

Die Grenzen des Wunschdenkens

Es gibt viele Coaches der zweiten Sorte. Sehr viele. Sie verlangen einen hohen Preis für ihre Arbeit, aber versprechen dir dafür auch etwas, das sonst niemand bieten kann: Schnelle Erfolge. Wie werden diese schnellen Erfolge erzielt?

Hier sind ein paar Ansätze, die mir persönlich empfohlen wurden:

  • Wünsche dir dein Traumhaus beim Universum, lehne dich zurück und lege die Füße hoch. Die kosmische Energie regelt den Rest.
  • Strecke jeden Morgen die Arme über dem Kopf aus und schrei hinaus in die Welt: „Ich bin stark!“
  • Stell dich vor einen Spiegel, sieh dir tief in die Augen und fang an laut zu lachen. Zieh es so lange durch, wie du nur kannst.
  • Strecke deine Arme seitlich aus und umarme das Leben. Dann wird das Universum dir alles geben, wonach du dich sehnst.

Weißt du, was passiert, wenn solche Dinge nicht funktionieren? Du bekommst dein Geld nicht zurück. Die Begründung: Du hast es nicht richtig gemacht und dich nicht zur Genüge konzentriert. Das ist dann oft der Punkt, an dem Menschen entweder beschließen, mich zu konsultieren oder erklären, dass Coaches nutzlos sind.

Versteh mich bitte nicht falsch: Es ist sinnvoll, positiv zu denken. Sehr sinnvoll sogar. Das ist jedoch nur ein extrem kleiner Teil dessen, was es zur Veränderung braucht. Nur positiv zu denken, hat seine natürlichen Grenzen.

Ich bin mit 1,74m Körpergröße kein Riese. Glaubst du, wenn ich mich morgens auf den Balkon stelle und die Welt hinausbrülle: „Ich bin zwei Meter groß!“, dann wird das Universum mich auf die kosmische Streckbank legen?

Ein positives Mindset (also eine positive Denkweise) kann deine Grundstimmung zum Guten beeinflussen, keine Frage. Aber es löst keine Probleme. Die Probleme, die du hast und die deinen Wunsch zur Veränderung auslösen, müssen irgendwie behoben, repariert oder gelöst werden. Das passiert nicht von allein. Es ist möglich, jedes Problem zu lösen. Alles ist möglich. Aber die meisten guten Dinge erfordern harte Arbeit.

Umarme die harte Arbeit

Was ist nur los mit uns, dass wir uns so sehr vor harter Arbeit scheuen? Ganz ehrlich: Ich liebe sie. Ich kenne nichts anderes mehr. Macht mich das zu einem tollen Typen? Nein, ganz bestimmt nicht. Ich habe einfach verstanden, dass die besten Dinge dann geschehen, wenn man sich wirklich Mühe gibt.

Wenn ich koche, dann flüstere ich keiner kosmischen Zauberbohne ins Ohr, sie möge sich in ein Drei-Gänge-Menü verwandeln. Nein, ich koche! Ich kaufe Zutaten und verarbeite sie. Manchmal dauert das wirklich lange, aber die harte Arbeit zahlt sich am Ende aus.

Wenn ich einen Blogartikel schreibe, verlasse ich mich nicht darauf, dass andere die Botschaft verstehen, wenn ich 50 Wörter durchs Internet jage. Ich arbeite das Thema aus, beleuchte es von verschiedenen Seiten und mache meinen Standpunkt klar. Und siehe da: Die harte Arbeit lohnt sich. Man kann viel mehr mit den Gedanken anfangen und damit arbeiten.

Wenn ich jemanden coache, dann betone ich bereits beim Erstgespräch, dass ich keine Lügen vom schnellen, großen Glück erzähle und dass Arbeit vor uns liegt. Das ist nicht einfach, aber die Belohnung dafür ist überwältigend gut. Und das funktioniert immer. Von mir wollte noch niemand sein Geld zurück, weil das Universum nicht geliefert hat.

Lass dir nichts erzählen

Lass dir keinen Bären aufbinden. Lass dir nicht erzählen, harte Arbeit sei umgänglich. Diese „harte Arbeit“ hat einen negativen Klang. Sie wirkt unsympathisch. In Wirklichkeit ist sie jedoch sehr gut zu uns. Es gibt kaum ein besseres Gefühl, als sich etwas hart erarbeitet zu haben und die Erfolge dessen zu genießen. Wenn der Weg nicht schwer wäre, wie könnten wir dann stolz auf uns sein, sobald wir ihn gegangen sind?

So ziemlich alles ist leichter gesagt als getan. Aber genauso ist so ziemlich alles, was nicht einfach ist, seine Mühe wert.

Wenn das nächste Mal jemand versucht, dir die Abkürzung zum großen Glück zu verkaufen, dann denk doch einfach noch einmal an diese Worte hier. Für mich persönlich hat im Laufe der letzten Jahre ein großer Wandel stattgefunden. Mir sind inzwischen die Menschen am sympathischsten, die mir etwas von harter Arbeit und Eigenverantwortung erzählen. Bei ihnen habe ich das Gefühl, alles schaffen zu können.

Fast vergessen: Ich weiß natürlich, dass dieser Blogartikel manchen sauer aufstoßen wird. Nimm es bitte nicht persönlich. Verurteile die Wahrheit, aber nicht den, der sie ausspricht. Ich glaube auch an das große Glück. Aber ich glaube ebenfalls daran, dass es in meinen Händen liegt, dieses zu erreichen. In diesem Sinne: Uns allen viel Erfolg!

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Dustin Humes