Gute Frage, oder?

Hast du schon einmal jemanden sagen gehört: „Ach, im nächsten Leben vielleicht“?

Ich habe diese Aussage schon oft gehört. Von Freunden, Bekannten, Verwandten, Fremden. So ziemlich von jedem. Und wenn ich ganz ehrlich bin, habe ich es das ein oder andere Mal selbst gesagt. Es gibt Wünsche, Träume und Ziele, die so unerreichbar scheinen, dass wir sie nicht auf morgen verschieben, sondern direkt auf ein mögliches anderes Leben. Denn dieses Leben hier steht uns manchmal dermaßen bis zum Hals, dass wir schon genügend Schwierigkeiten damit haben, im Hier und Jetzt klarzukommen. Wenn ich die besagte Aussage damals gehört habe, ging sie zum einen Ohr rein und zum anderen wieder heraus, so wie bei allen anderen auch. Es war immer nur eine Floskel. Etwas, das man aus einer Laune heraus äußerte. Heute fühlt es sich jedoch anders an.

Inmitten der Krisenzeiten, die wir gerade erleben, fällt es immer mehr Menschen schwer, noch eine Zukunft zu erkennen. Ich kann das verstehen. Im Jahr 2019 noch habe ich berufliche Pläne für die nächsten fünf bis zehn Jahre gemacht. Heute traue ich mich kaum, drei bis sechs Monate im Voraus zu planen. Kennst du das auch von dir selbst und deiner Situation? Fällt es dir ebenfalls schwer, entschlossen nach vorne zu blicken?

Damit wir uns nicht missverstehen: Die Zukunft war schon immer ungewiss, keine Frage. Aber trotzdem haben wir gerne geplant und nach vorne geschaut. Heute spreche ich davon, dass viele keine Lust mehr haben, Pläne zu machen, weil es ungewisser denn je ist, ob diese Pläne überhaupt umgesetzt werden können.

Diese allgemeine Ungewissheit setzt vielen so sehr zu, dass sie aufhören, an eine Zukunft zu glauben. Sie schreiben ihr Leben ab und warten tatsächlich auf das nächste. Vor wenigen Tagen erst schrieb mir jemand, er und seine gesamte Gemeinde würden sich wieder mehr mit der Bibel beschäftigen. Er schrieb, dieses Leben habe nichts mehr zu bieten und sie würden auf die Rückkehr des Herrn warten, um in ein anderes, bessers Leben mitgenommen zu werden.

Jemand anderes, der nicht religiös ist, sagte mir, er habe die Nase voll von unserer „krisenverseuchten“ Welt. Er meinte, er würde das hier einfach irgendwie hinter sich bringen und hoffen, dass es die Reinkarnation (Wiedergeburt) wirklich gibt. Als ich das einer Freundin erzählte, fing sie an zu lachen und meinte, manchmal würde sie dasselbe denken.

Schon immer ein Mysterium

Ich weiß nicht, wie vielen es ähnlich geht. Ich habe keine Studie durchgeführt und nicht genügend Personen gefragt, um für alle sprechen zu können. Allerdings kann ich mir gut vorstellen, dass es da draußen viele Menschen gibt, die aktuell besonders hoffnungslos sind. Das könnten vor allem jene sein, die bereits vor der Pandemie mit einigen Schwierigkeiten zu kämpfen hatten und jetzt noch weniger Hoffnung auf eine Veränderung zum Guten haben. Um offen zu sein, kann ich es persönlich sehr gut nachempfinden. Der Blick nach vorne sieht nicht sonderlich vielversprechend aus. Wir allen fragen uns immer mal wieder, wie das alles noch weitergehen soll. Vielleicht fragen wir es uns heute öfter als je zuvor in unserem Leben.

Aber wann war das Leben denn nicht eine Herausforderung? Manchmal, wenn ich mich darüber ärgere, dass ausgerechnet zu meiner Lebenszeit so viel Negatives passieren muss, denke ich an die vielen Generationen vor uns, die sich ebenfalls großen Herausforderungen stellen mussten. Durch die Geschichte hindurch ziehen sich massive Probleme, die nicht immer optimal gelöst wurden. Manchmal – oder eher erstaunlich oft – musste es eine große Krise geben, bevor die Gesamtsituation sich verbessern konnte.

Stell dir mal vor, du wärst im Jahr 1900 geboren worden und hättest 50 Jahre lang gelebt. Dann hättest du unter anderem den Ersten Weltkrieg, die große Depression und den Zweiten Weltkrieg erlebt. Auch nicht sonderlich attraktiv, oder?

Menschen haben schon immer vor großen Problemen und Herausforderungen gestanden und die Zukunft war immer ungewiss. Aber je ungewisser die Zukunft ist, desto mehr müssen wir uns Mühe geben, Licht ins Dunkel zu bringen. Es liegt an uns, die Zukunft zu gestalten. Was wir heute denken, entscheiden und machen, entscheidet letztendlich darüber, was morgen sein wird.

Warum warten, wenn man auch erleben kann?

Ich für meinen Teil weiß ganz sicher nicht, was kommen wird. Ich weiß nicht, ob Jesus zurückkehren wird, um uns zu erlösen. Ich weiß nicht, ob es Himmel oder Hölle gibt. Genauso weiß ich nicht, ob wir wiedergeboren werden oder einfach aufhören zu existieren. Ich habe da so meine Hoffnungen und Theorien, aber das ist ein anderes Thema. Mit Sicherheit weiß ich nur, dass das Hier und Jetzt alles ist, was ich habe. Es wird einen Zeitpunkt geben, zu dem wir alle herausfinden werden, wie es weitergeht. Bis das soweit ist, haben wir noch ein Leben, das wir erleben und genießen dürfen. Ich glaube fest daran, dass es im Leben nicht darum geht, es immer leicht zu haben. Stattdessen glaube ich daran, das Beste aus dem zu machen, was man gerade hat.

Ja, die Zeiten sind hart und ja, der Blick nach vorne ist neblig und ungewiss. Aber nein, das hält uns nicht davon ab, auf die schönen Dinge des Lebens zu blicken und uns darüber zu freuen, dass sie immer noch da sind. Es gibt immer etwas, wofür wir dankbar sein können und sei es nur das Wunder des Lebens, an dem wir täglich teilhaben dürfen.

Lasst uns nicht hoffen und warten. Lasst uns jeden Tag etwas besser machen und hoffen, dass es uns alle weiterbringen möge. Und wenn es danach noch ein weiteres Leben gibt, dann können wir uns umso mehr über den Tapetenwechsel freuen. Solange ich aber noch in diesem Leben stecke, werde ich nicht aufgeben. Es geht weiter. Und das ist gut so.

Es ist schön, dass du dabei bist. (Diesmal passt das erstaunlich gut!)
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Nicole Avagliano