Gute Frage…

Wir leben jetzt schon lange in einer „Fake-Gesellschaft“, in der so ziemlich jeder versucht, etwas zu sein, das er nicht ist. Wir kaufen teure Autos, luxuriöse Kleidung und überschulden uns mit schicken Häusern, um nach außen hin den Eindruck zu erwecken, in unserem Leben sei alles fantastisch.

Wir lächeln, wenn wir traurig sind. Wir lachen, wenn andere uns verletzen. Wir sagen „ja“, obwohl wir eigentlich „nein“ meinen.

In den sozialen Medien konstruieren wir ein Leben für andere, das wir in Wahrheit nicht führen. Wir versuchen uns „besser“ darzustellen, als wir sind. Wir stellen uns aktiver dar. So, als würden wir jeden Tag etwas Aufregendes unternehmen, auch wenn das nicht stimmt. Wir versuchen, besondere und einzigartige Momente aussehen zu lassen, als wären sie unser Alltag. Wir treten nur dann vor die Kamera, wenn wir absolut auf Hochglanz poliert sind. Es werden ganze Fotoshootings gemacht, wenn Outfit, Wetter und Make-Up perfekt sind, damit man etwas hat, wovon man noch wochenlang Beiträge veröffentlichen kann.

Es ist nicht so, als würden wir mit bösen Absichten lügen. Es ist aber auch kein Leben in Wahrheit. Wir belügen uns selbst. Wir schwächen unser Selbstwertgefühl, indem wir uns selbst das Gefühl geben, unter „normalen“ Umständen nicht gut genug zu sein. Wir glauben, nur dann gut genug zu sein, wenn wir nach außen hin perfekt aussehen.

Etwas ist im Wandel

Seit einer kurzen Weile glaube ich zu beobachten, dass immer Menschen die Nase voll davon haben. Es könnte natürlich daran liegen, dass ich thematisch in einer Blase feststecke, weil ich mich schließlich seit Jahren beruflich mit Authentizität und Ehrlichkeit beschäftige. Aber in diesen verrückten Zeiten, in denen die Welt vor zahlreichen gewaltigen Herausforderungen steht, scheint es so, als würden immer mehr Leute „aufwachen“ und merken, wie unwichtig es im Grunde ist, welches Bild man nach außen abgibt. Es gibt jetzt schlicht und einfach Wichtigeres, auf das man sich konzentrieren muss.

In den sozialen Medien beobachte ich, dass immer mehr Personen Wert darauf legen, „echt“ zu sein und ihr Leben nicht als perfekte Idylle darzustellen.

Irgendwie scheint es gesellschaftsfähiger zu werden, seine Ecken und Kanten zu haben und dazu zu stehen. Ich glaube, dass immer mehr Menschen auf den Geschmack kommen, dass man gerade dann vertrauenswürdig ist, wenn man ehrlich und echt ist.

Beobachtest du das auch? Oder ist es wirklich nur etwas, das ich mir einbilde?

Eine unserer größten Stärken

Vor etwa einem Jahr habe ich einer Journalistin ein Interview gegeben. Nach dem offiziellen Interview, als wir uns noch ein wenig unterhielten, fragte die Dame mich: „Was ist es denn, was Sie erfolgreich macht? Warum vertrauen die Menschen Ihnen und warum bauen Sie in Ihren Coachings so enge Beziehungen zu Ihren Klienten auf?“
Darüber musste ich kurz nachdenken. Dann lächelte ich und sagte: „Ich bin nicht perfekt und ich habe kein Problem damit, das zuzugeben.“
Ihren Blick hättest du sehen sollen 😉

Ich bin wirklich überzeugt davon, dass das einen großen Unterschied ausmacht. „Echt“ zu sein, lässt einen stets auf Augenhöhe mit seinen Mitmenschen bleiben. „Echt“ zu sein, vermittelt anderen den Eindruck, dass man sie versteht. Wir alle kämpfen jeden Tag denselben Kampf. Niemand kann sich dem entziehen. Nur hat vielleicht der eine einen etwas besseren Ansatz, damit umzugehen als der andere.

Es galt viel zu lange als cool, perfekt zu sein und über allen Dingen zu stehen. Vielleicht kommen jetzt immer mehr Menschen auf den Trichter, dass es cool ist, unperfekt zu sein. Es gibt uns einen ganz neuen Zugang zu unseren Mitmenschen. Eine tiefere Verbindung. Es lässt uns wieder näher zusammenrücken. Und ist das nicht eine wunderbare Sache, vor allem in diesen schwierigen Zeiten, in denen wir gemeinsam stärker sind?

Genießen wir den Wandel

Ich bin nicht perfekt und das ist gut so. Das hindert mich aber nicht daran, jeden Tag mein Bestes zu geben und zu versuchen, das Beste aus meinem Leben zu machen.

Wenn ich mich ganz weit aus dem Fenster lehne, würde ich einfach mal behaupten, dass du wahrscheinlich auch nicht perfekt bist. Ist das nicht wunderbar? Ich meine, wie langweilig wäre das Leben, wenn nichts mehr eine Herausforderung wäre? Wären wir dann nicht völlig von unseren Mitmenschen isoliert? Und sind es nicht die Ecken und Kanten, die einer Persönlichkeit ihre Würze und Einzigartigkeit verleihen?

Diese extremen Zeiten, die wir gerade erleben, machen uns zu Pionieren. Wir haben die Möglichkeit, unsere Gesellschaft neu zu formen, indem wir unperfekt, aber dafür ehrlich sind und uns auf das konzentrieren, worauf es wirklich ankommt.

Wir waren so lange damit beschäftigt, unechte Welten zu bauen, die es nicht gibt, dass wir nicht sehen konnten, wie die echte Welt aus den Fugen geriet. Vielleicht ist es ja der unperfekte Mensch, der nun wieder richten kann, was der angeblich perfekte Mensch aus dem Gleichgewicht gebracht hat.

Man darf ja noch hoffen… 🙂

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, © Isabella and Zsa Fischer