Wenn ja, dann lass uns schleunigst etwas dagegen unternehmen…

Vor ein paar Jahren pflegte ich eine Art „digitale Brieffreundschaft“ mit einer anderen Buchautorin. Wir kommunizierten monatelang ausschließlich via E-Mail miteinander und tauschten uns über das Autorendasein aus. Im Laufe der Zeit wurden unsere „Gespräche“ vertraulicher, die Gedanken gingen tiefer und die E-Mails wurden immer länger. So sehr ich diesen Austausch auch genoss, umso schwerer fiel es mir, mir jedes Mal mehr als eine Stunde Zeit einzurichten und einen halben Roman zu texten. Also schlug ich eines Tages vor: „Lass uns doch mal telefonieren.“

Kein übler Vorschlag, oder? Ich meine: Klar, alles hat sein Für und Wider, aber so ein Telefonat ist deutlich effizienter, ungezwungener und man kann ganz offen miteinander kommunizieren. Das sah die Autorin jedoch anders. Sie lehnte meinen Vorschlag ab. Warum? Nicht etwa, weil ihr das Schreiben so gut gefiel. Ihre Begründung war die folgende: „Ich habe eine total schreckliche Stimme und wenn du die hörst, dann magst du mich bestimmt nicht mehr.“
Als ich das las, ließ es mich fast rückwärts vom Stuhl fallen. Wie konnte ein Mensch ernsthaft glauben, ich würde ihn aufgrund des Klangs seiner Stimme verurteilen? Genau diese Frage stellte ich auch meiner Brieffreundin und traf damit einen wunden Punkt. Sie warf mir vor, ihre Angst nicht ernst zu nehmen und beendete den Kontakt. Einfach so.

In diesem Moment wurde ich zum ersten Mal mit dieser Problematik und ihrer Empfindlichkeit konfrontiert. Heute, einige Jahre und viel Erfahrung als Coach später, weiß ich jedoch, dass sehr viele Menschen mit denselben oder ähnlichen Problemen zu kämpfen haben. Vielleicht kennst du das auch von dir oder anderen aus deinem Umfeld:

  • „Bitte mach kein Foto von mir, denn ich finde mein Lächeln hässlich.“
  • „Ich kann mich jetzt nicht auf den Job bewerben, weil ich noch etwas zu dick bin. Sobald ich etwas abgenommen habe, versuche ich es mal.“
  • „Bitte zeig mir nicht dieses Video von mir, denn ich höre meine Stimme nicht gerne und sehe ganz furchtbar aus.“

Klingelt da etwas? Hast du solche Sätze schon gehört? Vielleicht auch aus deinem eigenen Mund? Gräme dich nicht. Das haben wir bestimmt alle schon und ich selbst bin da keine Ausnahme. Ein gutes Vorbild sollte nicht nur mit dem Finger zeigen, sondern selbst vormachen, wie es richtig geht. Deshalb möchte ich dir im Folgenden etwas über mich und meine Geschichte erzählen.

Freundschaft mit sich und der Realität knüpfen

In meiner Vergangenheit habe ich mich oft darüber geärgert, nicht größer zu sein. Mit 1,73m bin ich kein Riese und in der Schule gehörte ich zu den kleinsten Jungs. Das hat mich oft daran gehindert, tolle Sachen zu machen. Ich habe nie gerne Basketball oder Volleyball gespielt. Oder besser gesagt habe ich das schon sehr gerne gemacht. Ich habe mich einfach dabei mies gefühlt, weil ich das Gefühl hatte, zu klein dafür zu sein.

Darüber hinaus habe ich einen Sprachfehler. Meine Zunge hat hinter meiner oberen Zahnreihe nicht so viel Platz, wie sie eigentlich sollte und deshalb hört es sich lustig an, wenn ich „ch“ oder „sch“ ausspreche. Das hat mich lange davon abgehalten, vor größeren Menschenmengen zu sprechen.

Dass meine Familie nicht wohlhabend ist, war damals sehr schwer für mich. Ich fand das ungerecht und habe meinen Eltern deswegen viele Vorwürfe gemacht. Oft habe ich Ausreden geäußert, wie: „Aus mir kann ja nichts werden, weil ich null Startkapital habe. Alle erfolgreichen Menschen hatten viel Starthilfe, wie soll ich da mithalten?“
Dieser Irrglaube hielt mich lange davon ab, mutig zu sein und Großartiges zu leisten.

Wie kann es also trotzdem sein, dass ich heute da bin, wo ich nun einmal bin? Die Antwort ist relativ simpel: Ich habe mich damit abgefunden, wie die Dinge sind. Ich habe mich früher oder später mit der Realität angefreundet. Ich habe erkannt, dass es gewisse Rahmenbedingungen gibt, an denen man nichts ändern kann und dass ich, sobald ich das akzeptiert habe, ALLES andere nach meinen Wünschen verändern kann. Was bedeutet das konkret?

Ja, ich bin nicht sehr groß. Wenn ich eine Glühbirne wechseln muss, brauche ich eine kleine Leiter, während andere das im Stehen erledigen können. Allerdings sagt das nichts über einen Menschen aus. Irgendwann habe ich begriffen, dass wahre Größe nicht mit einem Zollstock gemessen werden kann. Ich habe Kleinwüchsige kennengelernt, die genug Charakter für 3 Personen haben. Genauso habe ich, im wahrsten Sinne des Wortes, riesige Arschlöcher kennengelernt. Ein Mensch kann groß sein und Großes bewirken, ohne über einen großen Körper zu verfügen. Seitdem ich das verstanden habe, habe ich mich nie wieder zu klein gefühlt.

Dass mein Sprachfehler manche Aussagen seltsam klingen lässt, ist eine Tatsache. Es ist aber auch eine Tatsasche, dass das, was ich sage, dadurch nicht weniger wichtig wird. Irgendwann wurde mir klar: „Es gibt eine Botschaft, die ich der Welt mitteilen will. Sie ist immer wichtig, egal wie ich sie ausspreche. Vor allem ist das immer noch besser, als sie für mich zu behalten.“
Meine Angst vor Ablehnung führte damals dazu, dass ich meine ersten Hörbuchproduktionen durch einen professionellen Sprecher abwickeln ließ. Irgendwann entschied ich jedoch: „Das sind meine Bücher und niemand kann ihre Botschaft besser vermitteln als ich.“
Und so platzierte ich ein paar Bestseller in den Hörbuch-Charts. Meine Stimme hat bis jetzt hunderttausende Menschen erreicht und überzeugt. Trotz des Sprachfehlers.

Und ja, wenig Geld zu haben, fühlte sich damals wie ein Handicap an. Wie blind ich doch war. Ich erkannte nicht, dass ich auf diese Weise die Chance bekam zu lernen, wie man sich selbst etwas erarbeitet. Dass es meinen Charakter formte. Vor allem verblendete die Gier meine Sicht auf die wichtigen Dinge des Lebens. Meine Familie gab mir nicht viel Geld, aber dafür Vieles, das man nicht kaufen kann: Liebe, Zusammenhalt und ein Zuhause, das diesen Namen auch wirklich verdient. Ein Ort, an dem ich wirklich zu Hause bin und das Kind meiner Eltern. Auch heute noch, als erwachsener Mann.
Wie sich herausstellte, konnte ich mir Wohlstand selbst erarbeiten und ich bin froh, dass ich das alleine getan habe. Es fühlt sich besser an. Irgendwie ehrlicher. All die anderen Sachen brauchen jedoch Charakter und ich bin froh, dass ich schon früh Unterstützung bei dieser Entwicklung hatte. Sich das im Alleingang zu erarbeiten, wäre deutlich schwerer gewesen als für Geld zu sorgen.

Akzeptiere, was Sache ist. Dann mache es zu Gold

Ich erzähle dir all das nicht, um dir zu vermitteln, wie toll ich doch sei. Ich möchte dich motivieren und dir zeigen, dass wir alle im selben Boot sitzen. Wir alle haben unsere Sorgen, Probleme und natürlich auch ungünstige Ausgangssituationen. Wir alle haben etwas an uns auszusetzen. Allerdings können wir auch IMMER etwas Gutes daraus machen. Hierfür wollte ich einfach als anschauliches Beispiel dienen.

Akzeptiere dich. Meckere nicht an dir herum. Es wird nichts ändern. Jammere über deine Körpergröße so viel du willst. Es wird dich nicht größer machen. Verfluche deine Stimme. Sie wird höchstens heiser werden. Jammere darüber, dass deine Ohren seltsam abstehen. Davon werden sie auch nicht gerade heranwachsen. Manche Dinge sind, wie sie nun einmal sind. Das ist okay. Sei froh, dass du einzigartig bist, denn alle anderen gibt es schon. Sobald du dich mit dem Gedanken angefreundet hast, kann der Spaß richtig losgehen.

Stell es dir so vor, als würdest du in eine Werkzeugkiste blicken. Du machst eine Bestandsaufnahme und überprüfst, was dir alles zur Verfügung steht. Dann fängst du an, das Beste daraus zu machen. Und wie ich neulich schon einmal schrieb: Ich habe schon Menschen gesehen, die mit einem bloßen Schraubenzieher wesentlich mehr zustande bringen als andere mit einem vollen Werkzeugkoffer. Unsere Einstellung ändert einfach alles!

Man hat sich lange über Jimi Hendrix lustig gemacht, weil er so seltsam auf der Gitarre spielte. Heute gilt sein Stil als ganz besonders und einzigartig, ja sogar legendär.
Arnold Schwarzenegger wollte man in keinem Film mitspielen lassen, weil er so riesig und muskulös war. Sein strenger Akzent machte den Gesamteindruck noch schlimmer. Die Filmproduzenten sagten, er würde den Zuschauern Angst machen. Heute ist dieser Mann eine lebende Legende. Sein Akzent ist sein Markenzeichen und führte zu einigen der ikonischsten Zeilen in der Filmgeschichte.

Die erfolgreichsten Menschen akzeptieren sich so, wie sie sind. Dann machen sie aus ihren Schwächen Stärken. Und dann nutzen sie diese Stärken, um Großartiges zu vollbringen.

Zelebriere dich

Wenn das nächste Mal jemand ein Foto von dir machen möchte, dann freue dich darüber, den schönen Moment festzuhalten. Zerstöre ihn nicht, indem du dich als hässlich bezeichnest.
Wenn jemand mit dir telefonieren möchte, dann freue dich auf einen freundlichen Austausch. Stiehl dir nicht die Chance darauf, einen tollen Menschen kennenzulernen, indem du deine Stimme hinterfragst.
Wenn sich dir eine große Chance eröffnet, dann nutze sie. Völlig unabhängig davon, wie du gerade aussiehst oder welche Umstände wie aufeinandertreffen. Gute Gelegenheiten sind das, was DU aus dem Leben machst.

Du steckst in DEINEM Körper und das ist gut so. Du bist DU und da du ohnehin nur dein eigenes Leben steuern kannst, ist das das Beste, was dir passieren konnte. Das Beste aus deinen Voraussetzungen zu machen, ist deine ganz persönliche Herausforderung. Sobald du Frieden mit diesen Tatsachen geschlossen hast, wird dich nichts mehr aufhalten können.

In diesem Sinne: Lass es krachen!

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Jelleke Vanooteghem