Perspektiven für alle, die gerade schwere Zeiten durchmachen… 

Manchmal ist alles schwer. Manchmal fordert das Leben uns so sehr heraus, dass es schwierig ist, noch irgendetwas Positives zu sehen. Natürlich ist uns allen bewusst, dass es immer etwas Gutes gibt, auf das wir uns fokussieren können. Und dennoch schaffen wir es manchmal nicht. Vielleicht wollen wir einfach nicht. Oft es fühlt sich an, als könnten wir nicht.

In solchen Momenten wünschen wir uns ein leichteres Leben. Eines ohne Stolpersteine, ohne Rückschläge, ohne ständige Niederlagen und das Gefühl, nicht gut genug zu sein. Aber vor allem wollen wir nicht immer aufs Neue die Kraft aufbringen müssen, wieder aufzustehen und den Kampf fortzusetzen, obwohl es sich so anfühlt, als könnten wir niemals gewinnen.

Ich weiß, wie sich das anfühlt. Und ich finde es völlig in Ordnung, wenn mir jemand von solchen Gefühlen berichtet. Es ist menschlich. Niemand kann oder sollte immer nur kämpfen.
Aber gleichzeitig habe ich auch etwas Wichtiges über das Leben verstanden: Die Menschen, die wir am meisten bewundern, sind nicht glücklich vom Himmel gefallen. Sie hatten nicht das Glück, niemals schwere Zeiten durchmachen zu müssen. Sie sind, wer sie sind, WEIL sie schwere Zeiten erlebt haben. Weil sie weitergemacht haben. Weil sie daran gewachsen sind.

 

Jeder hat seine ganz eigene Prüfung

Vor ungefähr zwei Jahren betreute ich einen Klienten, der Schmetterlinge züchtet. Er lud mich ein, ihn eines Tages besuchen zu kommen, falls ich mal in der Nähe sein sollte. Und wie der Zufall es wollte, unternahm ich einige Monate später eine Geschäftsreise, die mich in die Nähe seiner Heimatstadt führte.
Also schaute ich mal vorbei und kam in den Genuss, sehr viel Interessantes über Schmetterlinge zu lernen.

Ich war fasziniert von der Vorstellung, dass eine Raupe sich in einen Kokon zurückzieht, um zum Schmetterling zu werden und wieder auszubrechen. Ich fragte meinen Gastgeber, ob es auch mal vorkommt, dass ein Schmetterling es nicht schafft, den Kokon zu durchbrechen. Er erklärte mir, dass dies öfter vorkommt, als man meinen würde.
Also fragte ich ihn: „Aber du kannst den schwächeren Schmetterlingen doch sicher helfen, oder? Wenn du siehst, dass einer seinen Kokon nicht öffnen kannst, könntest du doch beispielsweise vorsichtig mit einem Messer nachhelfen.“

Seine Antwort werde ich niemals vergessen. Er sagte: „Doch, das kann ich. Und ich habe es auch schon oft getan. Aber jeder Schmetterling, dem wir beim Schlüpfen helfen, stirbt nach kurzer Zeit. Nur die Schmetterlinge, die aus eigener Kraft ihren Kokon verlassen, sind stark genug, um zu überleben. Es ist, als wäre das Schlüpfen eine Prüfung. Nur, wer diese Herausforderung meistert, wird weiterleben.“

Seit diesem Tag habe ich nicht nur einen ganz anderen Blick auf Schmetterlinge, sondern auch auf die Herausforderungen des Lebens.

 

Wachsen oder zerbrechen

Wenn du bereits wirklich schwere Zeiten erlebt hast und heute immer noch unter uns bist, dann können wir guten Gewissens sagen: Du bist an deiner Herausforderung gewachsen. Vielleicht hat es dich viel gekostet. Es war sicherlich schwer. Höchstwahrscheinlich leidest du auch heute noch manchmal darunter. Aber du bist noch hier.

Hier zu sein und weiterzumachen, ist das Zeugnis der Tatsache, dass wir gewachsen sind.

Im Folgenden werde ich nicht sagen, dass schwere Zeiten, Leid, Schicksalsschläge oder Misserfolge schön sind. Ich werde einfach nur respektvoll anerkennen, dass unsere größten Herausforderungen uns ein Wachstum ermöglichen, das problemlose Zeiten uns nicht bieten können.

Ich bin kein Masochist. Ich freue mich nicht darüber, wenn das Schicksal mich auf die Probe stellt. Aber es ist eine denkbar schlechte Einstellung, sich in solchen Momenten ausschließlich zu beschweren. Manchmal sollten wir innehalten, die Situation akzeptieren und uns die Frage stellen, ob da nicht auch eine Chance vor uns liegen könnte.

Vor einigen Jahren wurde ich nach einem Vortrag gefragt, was das Geheimnis meines Erfolgs sei. Ich fand die Frage albern. Ich bin nicht annähernd erfolgreich oder berühmt genug, um etwas von Erfolgsgeheimnissen zu erzählen. Aber in diesem Moment wollte ich nicht unhöflich sein, also dachte ich kurz nach und antwortete: „Es gibt kein Geheimnis. Ich habe oft und viel gelitten, und ich habe es überlebt.“

Wenn ich zurückblicke, kann ich reinen Gewissens sagen, dass ich heute nochmal dieselbe Antwort geben würde.

Leid tut weh. Aber es ist auch ein Katalysator der Persönlichkeitsentwicklung. Sollten wir alle deshalb permanent leiden? Nein, ganz und gar nicht.
Aber sollten wir versuchen, Chancen zu erkennen, wenn wir vom Leben auf die Probe gestellt werden? Ja, absolut.

Am Ende des Tages ist es wie beim Krafttraining. Ohne Schmerz ist es angenehmer. Aber ohne Schmerz gibt es auch kein Wachstum…

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Artak Petrosyan