Ein viel zu unterschätzter Gedanke!

Ich besitze einen Transporter (einen Bus), den ich „Joey“ nenne. Ich liebe dieses Teil. Er ist ganz bestimmt nicht das schönste oder schnittigste Auto der Welt, aber es gibt kaum etwas, das er nicht kann. Er ist robust, zuverlässig und ausdauernd. Mit einer Tankfüllung fährt er 1200 Kilometer weit. Er kann mit über einer Tonne Gewicht beladen werden. Seine Technik ist simpel, sodass nicht viel kaputtgehen kann. Mit diesem Auto kann ich campen gehen und hinten drin schlafen, eine Reise antreten, Umzüge organisieren, meinen Geschäftsalltag bewältigen oder einfach nur zum Einkaufen fahren und mir keine Gedanken darüber machen, ob ich genug Platz für meine Getränkekästen haben werde. Keine Gedanken machen. Ein gutes Stichwort. Mit Joey muss ich mir einfach keine Gedanken machen. Auf ihn ist Verlass. Man bekommt den Eindruck, er könne immer so weitermachen. Aber manchmal wird mir dann klar, wie naiv diese Vorstellung ist. Und zwar immer dann, wenn Joey eine Pause braucht. Wenn er neuen Diesel braucht, um weitermachen zu können. Wenn er zur Inspektion muss, wo Flüssigkeiten sowie Verschleißteile ausgetauscht werden. Wenn ich mir die Zeit nehme, um ihn mal so richtig sauberzumachen und sehe, was er mal wieder alles durchgemacht hat. Dann wird mir klar, dass niemand, nicht einmal der gute alte Joey, durchhalten kann, ohne mal eine Pause zu machen und zu verschnaufen.

Geht es uns nicht allen wie Joey?

Ob wir Eltern sind und Verantwortung für eine Familie tragen, Karriere machen wollen, bestimmte Ziele verfolgen oder einfach nur im Dschungel der Gesellschaft überleben wollen: Uns alle verbindet der Wunsch, unser Bestes zu geben. Wir wissen, dass wir Leistungen erbringen müssen, denn nicht umsonst leben wir in einer „Leistungsgesellschaft“. Der Stärkste gewinnt und der Schwächste verliert. Die Erfolgreichen erinnern uns an das, was wir schaffen wollen und die Erfolglosen dienen uns als Mahnmal. Der Druck ist enorm.

Man sagt, dass Diamanten nur unter höchstem Druck entstehen und dass sich dieser Gedanke auch auf Menschen übertragen lässt. Unter dem größten Druck entstehen die stärksten Menschen. Das mag sein. Es trifft vielleicht auf jene zu, die nicht zerbrechen. Wer die volle Härte unserer modernen Welt übersteht, wird stark, keine Frage. Eine Zeit lang fand ich das sogar ziemlich gut, denn ich war stolz darauf, selbst enorme Strapazen überstanden zu haben. Inzwischen frage ich mich jedoch, ob es wirklich nötig ist, permanent unter Strom und Druck zu stehen.

Als Coach arbeite ich mit vielen Menschen zusammen, die Karriere gemacht und Außerordentliches erreicht haben. Die meisten von ihnen sind ausgebrannt und verschlissen. Sie können nicht loslassen. Sie würden gerne ein paar Gänge herunterschalten, aber haben vergessen, wie es ist, sich auszuruhen. Es ist ein Teufelskreis. Was passiert deiner Meinung nach mit Menschen, die ausgebrannt sind, aber keine Pause einlegen? Ganz genau, sie brechen zusammen. Irgendwann geht gar nichts mehr. So, wie mein guter alter Joey liegen bleiben und sterben würde, wenn er nicht hin und wieder ein paar Auszeiten an der Tankstelle oder in der Werkstatt einlegen würde.

Man muss es sich erlauben

Ich habe gerade nicht das Rad neu erfunden. Worüber ich schreibe, ist völlig logisch und klar. Und dennoch fällt es zu vielen von uns schwer, loszulassen. Da bin ich übrigens keine Ausnahme. Manchmal möchte ich gewisse Dinge so sehr schaffen, dass ich an meine Grenzen oder sogar darüber hinaus gehe. Je weiter ich gehe, desto größer ist die Pause, die ich im Anschluss brauche.

Aber warum machen wir nicht einfach diese Pause? Weil wir es uns nicht erlauben. Weil wir Verantwortung tragen und das Gefühl haben, diese auf keinen Fall niederlegen zu können. Weil wir für andere da sein wollen. Weil wir uns selbst etwas beweisen wollen. Weil wir glauben, dass unser ganzes Leben zusammenbrechen wird, wenn wir auch nur einen Tag lang „Schwäche“ zeigen und nachlässig sind. All das findet in unseren Köpfen statt. In Wahrheit gibt es jedoch genügend Zeit und Raum für Rast. Es fällt uns nur schwer, das zu glauben.

Neulich erst sprach ich mit einer jungen Frau, die nach einem Burnout 8 Wochen in einer Klinik verbracht hatte. Sie war völlig erstaunt darüber, dass ihr Leben noch nicht zu Ende war. Sie war immer noch verheiratet, hatte immer noch eine Wohnung und sogar ihr alter Job wartete auf sie. Sie sagte mir, sie hätte immer geglaubt, ihr ganzes Leben würde zusammenbrechen, wenn sie auch nur einen Tag lang nachlässig wäre.

Vielleicht glaubst du es noch nicht, aber auch du hast genügend Zeit, um dich mal auszuruhen und Kraft zu tanken. Und wenn du diese Zeit gerade nirgendwo findest, dann nimm sie dir! Denk dabei an den guten alten Joey: Wenn er nicht anhält, um aufzutanken, wird er bald zusammenbrechen. Aber wenn er sich nur eine kurze Rast erlaubt und Energie auftankt, kann er wieder sehr weit reisen und unglaublich viel Verantwortung stemmen.

Ein Schlüssel zum Erfolg

Regeneration ist ein oft vernachlässigter Schlüssel zum Erfolg. Wenn du deine Muskeln wachsen lassen willst, musst du sie hart trainieren, anschließend mit Nährstoffen versorgen und dann in Ruhe lassen, damit sie sich regenerieren und stärker werden. Bei uns selbst, unserer Psyche und unserer allgemeinen Leistungsfähigkeit ist das nicht anders.

Also: Gönn dir eine Auszeit. Genieße das Wochenende. Lade die Akkus auf und hab eine gute Zeit. Danach lässt du es dann wieder richtig krachen 🙂 Ich wünsche dir viel Spaß dabei!

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

Titelbild: Unsplash.com, Chris Thompson