Etwas, das leider viel zu oft passiert… 

Was ist ein „gutes Herz“? Gute Frage, oder? Ich denke, wir stellen uns darunter einen Menschen vor, der Mitgefühl, Großzügigkeit, Hilfsbereitschaft und Herzensgüte praktiziert. Jemanden, der nicht nur behauptet, diese Eigenschaften zu haben, sondern sie wirklich lebt. Es sind Eigenschaften, die wir bei anderen nicht nur mit unseren Augen sehen, sondern auch mit dem Herzen spüren.

Vielleicht verstehst du etwas von diesem Thema, weil du selbst eine solche Person mit einem guten Herzen bist. Durchaus möglich. Ich meine, schließlich bist du hier, auf einem Blog der Persönlichkeitsentwicklung. Emotionale Tiefe und Selbstreflexion gehören definitiv zu dem dazu, was wir ein „gutes Herz“ nennen.

Und falls dies auf dich zutrifft, dann weißt du auch, dass all diese guten Eigenschaften, die nach außen so wunderbar aussehen, eine große Last für den sein können, der sie in sich trägt.
Denn der Großteil unserer Gesellschaft sieht diese Herzensgüte nicht als Stärke, sondern als Einladung. Als Einladung, das gute Herz auszunutzen.

Halte mich für ruhig für einen Pessimisten, das ist für mich völlig in Ordnung. Ich bin nicht hier, um schöne oder sympathische Worte zu äußern. Ich bin hier, um eine Wahrheit auszusprechen, die viele fühlen, aber nur wenige zum Ausdruck bringen.

Was für den einen Herzensgüte ist, ist für den anderen Naivität. Manche betrachten Großzügigkeit als Leichtsinn. Hilfsbereitschaft als Dummheit. Stille als Schwäche.

Manchmal wollen wir das nicht wahrhaben. Und dann dauert es nicht lange, bis wir merken: Wir geben mehr, als wir zurückbekommen. Wir helfen ständig, aber uns wird nicht geholfen. Wir respektieren andere mehr, als wir von ihnen respektiert werden. Wir werden von jenen für selbstverständlich gehalten, die wir von Herzen wertschätzen.
Und wenn wir dann die Entscheidung treffen, etwas zu verändern, ist der Aufschrei der anderen groß. Welch Ironie, oder?

 

Warum gute Herzen ausgenutzt werden

Die meisten Menschen, die sämtliche Eigenschaften eines guten Herzens in sich tragen, ziehen die falschen Konsequenzen, nachdem sie verletzt und enttäuscht wurden. Sie ziehen sich zurück. Sie entwickeln Vertrauensprobleme. Sie stumpfen emotional ab, um sich vor künftigen Verletzungen zu schützen. Vielleicht ist das etwas, das du auch aus deiner Erfahrung kennst.
Natürlich kann man das so machen. Aber warum sollten wir?

Die Wahrheit ist, dass die meisten Ausnutzer da draußen es nicht böse meinen. Sie freuen sich einfach nur über die Gelegenheit, von jemandem viel zu „bekommen“. Möglicherweise, weil sie selbst in Mangel und Sehnsucht leben. Sie nehmen alles, was sie kriegen können, auch wenn sie nicht annähernd so viel zurückgeben können.

Aber ja, es gibt auch schlicht und einfach Arschlöcher, die Menschen mit einem guten Herz wissentlich ausnutzen. Und das Schlimmste daran ist, dass viele es auch wissentlich mit sich machen lassen. Sie definieren ihr Selbstwertgefühl darüber, wie viel sie anderen geben können. Sie haben gelernt, bescheiden, demütig und großzügig zu sein. Alles andere erscheint ihnen falsch.
Was nach einem edlen Motiv klingt, kann schnell zur Falle werden. Wir alle haben das hin und wieder schon zu spüren bekommen.

 

Ein Ausweg, den viele brauchen, aber nur wenige wollen

Viele sagen, dass man aus Überzeugung geben sollte, ohne jemals etwas im Gegenzug zu erwarten. Ich habe es selbst lange Jahre so betrachtet. Heute halte ich es für Unsinn.

Es ist, als würde man ständig Geld verschenken, ohne dafür zu sorgen, dass man selbst neues bekommt. Es ist wie ein Brunnen, der ständig Wasser abgibt, ohne von einer Quelle gespeist zu werden. Es ist so, als würde man ständig im Garten anderer arbeiten, ohne sich jemals um seinen eigenen zu kümmern.
Wenn wir immer nur geben, ohne uns um uns selbst zu kümmern oder eine Gegenleistung zu erhalten, bleibt irgendwann nichts mehr von uns übrig. Das ist sehr schade. Denn gerade die Menschen, die viel zu geben haben, sollten dies auch langfristig tun können, ohne auszubrennen.

Also sage ich: Betrachte dein gutes Herz und alles, was dieses beinhaltet, wie wertvolle Ressourcen. Schreibe ihnen einen Wert zu. Und zwar einen hohen!
Lass Menschen dafür bezahlen. Das mag vielleicht negativ klingen, aber das meine ich so positiv wie nur möglich.

Lass dir Wertschätzung entgegenbringen. Fordere Dankbarkeit und Respekt ein. Verschenke nicht dein gutes Herz. Erst recht nicht an jene, die immer nur nehmen, ohne sich jemals erkenntlich zu zeigen.

Vielen werden diese Worte sauer aufstoßen. Ich verstehe das. Aber erlaube mir auch diese simplen Fragen: Wurdest du geboren, um es anderen recht zu machen? Bist du hier, um zu gefallen? Bist du hier, um zu geben, ohne jemals zu erhalten?

 

Ein gutes Herz ist nicht dumm

Dass du ein gutes Herz hast, ist kein Zeichen von Dummheit, Naivität oder Hilflosigkeit. Es ist wahre Größe. Und wahre Größe verdient es, wertgeschätzt und respektiert zu werden. So einfach ist das.
Sich seiner besten Charaktereigenschaften bewusst zu sein und diese zu schützen, ist ein Akt von Selbstliebe und ein Zeichen eines gesunden Selbstwertgefühls.

Es wird immer Menschen geben, die versuchen, dir etwas anderes einzureden. Stell dir doch nur mal kurz die Frage, warum das wohl so ist. Was könnten sie damit bezwecken? Vielleicht bringt dich diese Frage auf Ideen…

Ich bin müde davon, in einer Gesellschaft zu leben, in der die Rücksichtslosen glorifiziert und die Gewissenhaften belächelt werden. Wir verrohen. Hier läuft etwas gewaltig schief. In einer Gesellschaft, die keinen Respekt vor jenen hat, die aus dem Herzen sprechen, läuft definitiv etwas schief.
Selbstverständlich darf jeder dazu eine eigene Meinung haben. Meine kennst du nun.

Seit vielen Jahren schon arbeite ich Woche für Woche mit Klientinnen und Klienten, die darunter leiden, dass sie gute Menschen sind. Auf einer fachlichen und psychologischen Ebene verstehe ich, warum es so ist. Aber das heißt nicht, dass ich es richtig finde. Ein gutes Herz zu haben, sollte kein Anlass für Leid sein. Es sollte kein Grund sein, belächelt oder ausgenutzt zu werden. Es sollte etwas sein, wofür man respektiert und wertgeschätzt wird.
Wir alle können unseren Beitrag zu dieser Entwicklung leisten, indem wir bei uns selbst anfangen. Indem wir uns selbst den Respekt geben und auch von anderen einfordern, den wir verdienen. Indem wir uns nicht belächeln lassen. Indem wir Wertschätzung als Lohn für das einfordern, was wir im Herzen tragen.

Es ist niemals falsch, ein guter Mensch zu sein. Vergiss das bitte nicht.

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

 

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