Schon mal versucht?

In meinen Coachings frage ich mein Gegenüber gerne: „Wenn du machen könntest, was du willst, was würdest du am liebsten tun?“, worauf ich erstaunlich oft die folgende Antwort erhalte: „Ich selbst sein.“

Das ist dann der Moment, in dem ich frage: „Was bedeutet es denn, du selbst zu sein?“, und dann wird es spannend. Denn in den allermeisten Fällen kommt dann etwas wie: „Das würde ich gerne herausfinden.“

Wer bist du überhaupt?

Herauszufinden wer man ist, gehört vielleicht zu den größten Herausforderungen des Lebens. Denn im Alltag geht es nur selten um uns oder das, was wir wollen. Es geht darum, in diese Welt hineinzupassen. Schritt zu halten. Anderen zu gefallen. Die wenigsten von uns ziehen das an, was sie gut finden. Wir ziehen an, was gerade im Trend ist. Wir hören die Musik, die gerade angesagt ist und fahren immer das neuste Auto. Einfach, weil wir sonst nicht wohlhabend genug wirken würden.
Auf der Arbeit wird die Qualität unserer Mühen nicht anhand unseres Werteempfindens definiert, sondern anhand der Meinung unserer Chefs. Wir genießen unser Essen nicht im Stillen, sondern teilen es auf Social Media. Wenn wir eine Entscheidung treffen müssen, horchen wir nicht in unser Inneres, sondern fragen andere um Rat.
Wir finden unseren Platz im sozialen Gefüge, indem wir das tun, was andere von uns erwarten. Wir halten uns mit unserer ehrlichen Meinung zurück, um keine Konflikte zu provozieren.

Kein Wunder, dass wir verlernen, wer wir sind oder was wir wirklich vom Leben wollen.

Zu sich selbst finden

An dieser Stelle könnte ich es mir sehr leicht machen und dir empfehlen, das Buch „Endlich selbstbewusst!“ zu lesen. Aber so ratsam das auch sein mag, möchte ich dich heute nicht ohne guten Rat zurücklassen. Denn ich glaube, dass man das Prinzip auch sehr stark vereinfachen kann. Schließlich sind die einfachen Dinge des Lebens immer noch die besten, nicht wahr?

Zu sich zu finden bedeutet in erster Linie, äußere Einflüsse so effektiv wie möglich auszusperren. Verbringe mehr Zeit mit dir selbst. Schau weniger Nachrichten. Konsumiere weniger Social Media. Konfrontiere dich mit so wenig fremden Meinungen wie nur irgend möglich. Dann wirst du nämlich gezwungen sein, dir eine eigene Meinung zu den Dingen zu bilden, die um dich herum geschehen.

Vermutlich wirst du dabei feststellen, dass das Alleinsein gar nicht mal so einfach ist. Es ist die Königsdisziplin der Persönlichkeitsentwicklung. So sehr wir auch darüber meckern von anderen beeinflusst zu werden, so schwer fällt es uns auch, einfach mal alleine zu sein. Mach dir nichts draus, denn es kann eine große Chance für dich sein. Wenn man sonst niemanden zur Hand hat, bietet es sich doch an, Freundschaft mit sich selbst zu schließen 😉

Eine weitere große Hürde ist, dass man oft nicht weiß, was man will oder was einem Spaß macht. Das höre ich sehr oft. Man verlernt geradezu, Freude zu empfinden oder seinen eigenen Interessen nachzugehen. Wie findet man heraus, was einem gefällt? Wie findet man heraus, was wirklich Spaß macht?
Hier pflege ich zu sagen: Ausprobieren! Wie hast du deine Leibspeise entdeckt? Indem du sie probiert hast. Wie hast du deinen Lieblingssport für dich entdeckt? Indem du einfach mal mitgemacht hast. Das Leben ist eine große Spielwiese und es wäre viel zu schade, sich nicht auf ihr auszutoben.

Erwarte nichts

Erzähle niemandem von deiner Suche nach dir selbst. Erwarte nicht, dass irgendjemand sie verstehen wird. Erwarte nicht, dass irgendjemand dir helfen wird und bitte erwarte nicht von mir, dass ich dir sage, wer du bist und wie dein Weg verlaufen wird.

Viele von uns sagen, dass sie zu sich selbst finden wollen. Aber wollen auch wirklich alle das tun, was dafür nötig ist? Die Stärke aufbringen, die es braucht, um toxischen Menschen den Rücken zu kehren? Den Mut zeigen, den man benötigt, um zu seiner Meinung zu stehen und auch den ein oder anderen Konflikt zu ertragen? Die emotionale Belastung in Kauf nehmen? Lernen, ganz allein klarzukommen? Wirklich sein eigenes Ding durchziehen? Die eigenen Erwartungen an andere herunterschrauben?

Man sollte sich diese Fragen völlig ehrlich beantworten, bevor man seine Entscheidung trifft.

Meine persönliche Meinung ist, dass man zu sich gefunden hat, sobald man in der Lage ist, eigenständig Entscheidungen zu treffen. Sobald man in den Spiegel sieht und sich über den Anblick freut, anstatt sofort etwas zu finden, das andere missbilligen könnten. Sobald man keine Angst mehr davor hat, offen über seine Lebensphilosophie und Meinung zu sprechen. Sobald man genau weiß, wie man einen Tag wunderschön gestalten kann.

All das klappt nicht immer perfekt. Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass mir all das jeden Tag optimal gelingt. Wir leben nun mal in einer sozialen Welt, in der viele Einflüsse auf uns einprasseln. Allerdings betrachte ich es als großes Abenteuer, mir jeden Tag ein Stückchen näher zu kommen. Und es ist schön, ein so großes und langfristiges Ziel zu haben, an dem man jeden Tag arbeiten kann.

Ich hoffe, dass ich dich mit diesen Zeilen dazu inspirieren konnte, dich ebenfalls auf die Suche zu machen. Vor allem aber wünsche ich dir, dass du in der Suche genauso viel Freude findest wie ich. Viel Spaß!

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Drew Saurus