Ein paar Überlegungen zu einem häufig unterschätzten Thema… 

Enttäuschungen gehören zum Leben dazu. Sie treffen uns oft unvorbereitet, hinterlassen einen bitteren Nachgeschmack und können, je nachdem, wie tief sie gehen, unser Vertrauen in andere oder sogar in uns selbst erschüttern. Doch so schmerzhaft sie auch sein mögen, Enttäuschungen sind unvermeidlich. Und wie wir mit ihnen umgehen, bestimmt, ob sie uns lähmen oder stärker machen.

In diesem Artikel möchte ich ein paar Perspektiven teilen, die dabei helfen, besser mit Enttäuschungen umzugehen. Dabei geht es sowohl um ganz alltägliche Enttäuschungen, die wir alle kennen (wie geplatzte Pläne oder unerfüllte Erwartungen) als auch um die tieferen Enttäuschungen, die uns unsere Mitmenschen zufügen. Beide Arten haben etwas gemeinsam: Sie bieten uns die Möglichkeit, zu wachsen und aus ihnen zu lernen.

Akzeptanz

Wenn uns eine Enttäuschung trifft, reagieren wir oft mit Abwehr. Wir wollen nicht wahrhaben, dass etwas schiefgelaufen ist und suchen nach Erklärungen, die das Geschehene irgendwie rechtfertigen. Entweder machen wir uns selbst Vorwürfe oder geben anderen die Schuld. Doch all das führt nur dazu, dass wir in einer Spirale aus negativen Gedanken feststecken. Das können wir definitiv besser lösen.

Der erste sinnvolle Schritt, um mit einer Enttäuschung umzugehen, ist Akzeptanz. Das bedeutet nicht, dass wir das Geschehene gutheißen müssen. Es bedeutet nur, dass wir anerkennen und akzeptieren, was passiert ist. Akzeptanz ist keine Schwäche. Sie ist der Mut, die Realität zu sehen, wie sie ist, ohne sie zu beschönigen oder zu verdrängen.
Indem du den Schmerz und die Enttäuschung zulässt, schaffst du Raum für Heilung.

Erwartungen

Jede Enttäuschung beginnt mit einer Erwartung. Wir erwarten, dass die Dinge so laufen, wie wir es uns vorstellen. Wir erwarten, dass andere Menschen sich auf eine bestimmte Weise verhalten. Doch Erwartungen sind oft wie eine Wette auf die Zukunft. Dass wir etwas erwarten, heißt noch lange nicht, dass es auch geschehen wird.

Es kann schmerzhaft sein, sich einzugestehen, dass unsere eigenen Erwartungen die Wurzel vieler Enttäuschungen sind. Doch genau hier liegt eine enorme Chance: Wenn wir uns bewusst machen, dass Erwartungen oft der Grund für unser Leiden sind, begreifen wir, dass wir aufhören sollten, zu viel von anderen zu erwarten. Das bedeutet nicht, dass wir aufhören sollen, Ziele zu haben oder an das Gute im Leben zu glauben. Es bedeutet nur, dass wir in gewisser Weise flexibler werden sollten. Dass wir aufhören sollten, unser Glück von einem bestimmten erwarteten Ergebnis abhängig zu machen.

Enttäuschungen

Die vielleicht schmerzhaftesten Enttäuschungen sind die, die uns von anderen Menschen zugefügt werden:

  • Ein Freund, der unser Vertrauen missbraucht.
  • Ein Partner, der uns im Stich lässt.
  • Eine Familie, die uns einfach nicht versteht und nicht so unterstützt, wie wir es brauchen.

Solche Enttäuschungen treffen uns tief, weil sie oft nicht nur unser Vertrauen in die andere Person, sondern auch unser Selbstwertgefühl erschüttern.

Wenn du von jemandem enttäuscht wirst, ist es wichtig, dir zwei Dinge bewusst zu machen.

Erstens: Was jemand tut, sagt oft mehr über die andere Person aus als über dich. Menschen handeln aus ihren eigenen Unsicherheiten, Ängsten oder Schwächen heraus. Das bedeutet nicht, dass du ihr Verhalten entschuldigen musst, aber es kann dir helfen, es besser zu verstehen und es nicht persönlich zu nehmen.

Zweitens: Wie du mit einer Enttäuschung umgehst, ist allein deine Entscheidung. Enttäuschungen können uns verbittern lassen, aber sie können uns auch lehren, unsere Grenzen sorgfältiger zu setzen und unsere Erwartungen realistischer zu gestalten. Manchmal ist es das Beste, etwas Geschehenes loszulassen und nach vorne zu blicken. Sei es eine Beziehung, eine Freundschaft oder der Glaube an jemanden, zu dem man aufgeschaut hat. Loslassen bedeutet nicht, dass du aufgibst. Es bedeutet, dass du dich selbst genug respektierst, um weiterzugehen.

Selbstreflexion

Jede Enttäuschung ist eine Gelegenheit zur Selbstreflexion. Sie zwingt uns, innezuhalten und uns zu fragen: Was hat mich wirklich enttäuscht? War es die Handlung einer anderen Person, oder waren es meine eigenen Erwartungen? Was kann ich daraus lernen?

Selbstreflexion ist kein einfacher Prozess. Sie erfordert Ehrlichkeit und die Bereitschaft, sich selbst kritisch zu hinterfragen. Aber sie ist der Schlüssel, um aus Enttäuschungen stärker hervorzugehen. Sie hilft uns, Muster zu erkennen, wie zum Beispiel, ob wir dazu neigen, uns immer wieder in Situationen zu begeben, die uns enttäuschen. Oder ob wir vielleicht zu oft von anderen erwarten, Lücken zu füllen, die von uns selbst eingenommen werden sollten.

5 praktische Tipps zum Umgang mit Enttäuschungen

Um das bis hierhin Gesagte zu untermauern, möchte ich dir ein paar simple, knackige Anregungen geben, die dir dabei helfen können, besser mit Enttäuschungen umzugehen.

  1. Nimm dir Zeit für deine Gefühle. Es ist in Ordnung, enttäuscht, traurig oder wütend zu sein. Erlaube dir, diese Emotionen zu fühlen, anstatt sie zu verdrängen. Gefühle sind wie Wellen. Sie kommen und gehen, wenn du ihnen Raum gibst.
  2. Schreibe deine Gedanken auf. Das Aufschreiben kann uns helfen, Klarheit zu gewinnen und unsere Emotionen zu sortieren. Oft erkennen wir erst beim Schreiben, was uns wirklich belastet.
  3. Sprich mit jemandem. Egal, ob Freund, Familie, Coach oder Therapeut:  das Teilen unserer Gefühle kann unglaublich heilsam sein. Manchmal gewinnen wir dabei eine neue Perspektive, um die Dinge in einem anderen Licht sehen zu können.
  4. Sei realistisch mit deinen Erwartungen. Überlege dir, ob deine Erwartungen an die Situation oder die Person realistisch waren. Es gibt einen Unterschied zwischen Wünschen und Ansprüchen. Soll heißen: Manche Erwartungen sind Wunschdenken und manche sind berechtigte Ansprüche. Zwischen ihnen unterscheiden zu können, ist eine Kunst.
  5. Lerne zu vergeben. Vergebung ist nicht für die andere Person, sondern für uns selbst. Sie befreit uns von der Last und ermöglicht es uns, weiterzugehen. Vergebung bedeutet nicht, zu vergessen oder zu entschuldigen. Sie bedeutet, sich selbst von der Wut und dem Groll zu befreien.

Der Blick nach vorne

Enttäuschungen werden uns immer wieder begegnen. Das ist unvermeidlich. Doch wie wir mit ihnen umgehen, liegt in unserer Hand. Wir können uns entscheiden, ob wir an ihnen zerbrechen oder an ihnen wachsen. Wir können lernen, unsere Erwartungen zu hinterfragen, Grenzen zu setzen und loszulassen, was uns nicht guttut.

Vielleicht ist die wichtigste Lektion im Umgang mit Enttäuschungen diese: Sie sind ein Teil unseres Lebens, aber sie definieren uns nicht. Sie sind wie ein Spiegel, der uns zeigt, wo wir stehen und was wir noch lernen können. Und wenn wir den Mut haben, in diesen Spiegel hineinzublicken, entdecken wir oft, dass wir stärker sind, als wir dachten.

Enttäuschungen sind nicht das Ende der Welt. Sie sind eine Einladung, die Welt mit neuen Augen zu sehen. Sie fordern uns heraus, die Verantwortung für unser eigenes Glück zu übernehmen und zu erkennen, dass wir nicht alles kontrollieren können. Aber das, was wir kontrollieren können – nämlich unsere Reaktionen, unser Mindset und unseren Willen, weiterzumachen – gibt uns die Chance auf ein wirklich erfülltes Leben.

In der Hoffnung, ein paar inspirierende Gedanken in die Welt hinauszusenden, verabschiede ich mich für heute.

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

 

Titelbild: Unsplash.com, Gyorgy Szemok