Ein Thema, das uns alle betrifft…
Dies hier ist der 500. Blogartikel, den ich auf „Dein Fußabdruck“ veröffentliche. 500 Blogartikel in 11 Jahren… Wie passend, diesen Artikel dem Altern und der Vergänglichkeit zu widmen.
Das Altern gehört zu den natürlichsten Dingen überhaupt. Es ist etwas, das ausnahmslos jeder von uns erfährt, denn wir Menschen bewegen uns in einem gleichbleibenden Tempo in nur eine Richtung durch die Zeit. Wir alle altern gleich schnell. Wir altern jeden Tag um exakt dieselbe Menge an Zeit. Aber wir wissen nicht, wie lange uns das Privileg des Alterns gegeben wird.
Manche von uns dürfen sehr lange altern. Andere nur sehr kurz. Das Zermürbende daran: In den allermeisten Fällen haben wir keine Ahnung, zu welcher Gruppe wir gehören.
Aber das ist nicht die einzige Herausforderung des Alterns. Das hier wird kein Artikel über die Ungewissheiten des Lebens und die Ängste, die damit einhergehen.
Das Altern ist auch Teil eines niemals aufhörenden Entwicklungs- und Veränderungsprozesses.
Während wir altern, entwickeln sich unser Körper und unser Geist weiter. Das hat seine Vorteile, aber natürlich auch seine Nachteile. Und selbstverständlich sind es meist die Nachteile, auf die wir uns fokussieren, während wir gleichbleibenden Schrittes durch das Leben ziehen. Es gibt viele Menschen, die Angst vor der simplen Tatsache haben, dass wir mit jeder verstreichenden Sekunde unweigerlich dem „Ende“ dieses Lebens entgegengehen.
(Das Wort „Ende“ setze ich hier in Anführungszeichen, weil ich nicht daran glaube, dass das Ende wirklich ein Ende ist. Ich habe keine Ahnung, was passiert, wenn die Zeit in diesem Leben abläuft. Es könnten zig verschiedene Dinge passieren, aber so viel steht für mich fest: Ein Ende ist es nicht. Aber das ist ein anderes Thema…)
Die unumkehrbare Vergänglichkeit des Lebens setzt viele unter Druck. Wir haben ständig das Gefühl, irgendetwas „aus unserem Leben machen“ zu müssen. Wir wollen noch irgendetwas schaffen. Etwas Bedeutsames tun. Gewisse Ziele erreichen. Gleichzeitig zu altern und keine Fortschritte in dieser Hinsicht zu machen, kann ein großer Stressfaktor sein. Es führt außerdem zu Gefühlen der Reue. Man muss nicht erst 100 Jahre alt werden, um zurückzublicken und zu bereuen, sein Leben nicht anders gelebt zu haben. In meinem Alltag als Coach und Berater spreche ich auch mit 30-Jährigen über Reue bezüglich des eigenen Werdegangs.
Darüber hinaus sprechen viele davon, Zeit „vergeudet“ zu haben. Da stelle ich mir die Frage: Was ist Zeitvergeudung? Und was bedeutet es im Umkehrschluss, seine Zeit „sinnvoll“ zu nutzen?
Da wir in einer oberflächlichen Gesellschaft leben, die gutes Aussehen belohnt – und da gutes Aussehen leider fast ausschließlich mit einem jungen Aussehen assoziiert wird – befürchten viele, während des Alterns ihre Attraktivität zu verlieren. Natürlich respektiere ich jeden, der sich so fühlt, aber wenn du mich fragst, ist das absoluter Käse. Attraktivität am Alter zu messen, ergibt auf so vielen Ebenen wenig Sinn. Aber gut, verlieren wir uns nicht in Details…
Eine deutlich ernsthaftere Konsequenz des Alterns ist, dass unser Körper nach und nach Leistungsfähigkeit abbaut. Durch gute Vorsorge, gesunde Ernährung und einen aktiven Lebensstil können wir diesen Prozess massiv beeinflussen, aber aufhalten können wir ihn nicht. Mit der Zeit wird es zunehmend schwerer, körperlich intensive Aktivitäten auszuüben. Für die meisten Menschen gehört das zu den größten Herausforderungen des Älterwerdens.
Wo Schatten ist, ist auch Licht
Ich könnte dich nun dazu ermutigen, über alle von mir genannten Aspekte hinwegzusehen und einfach „Tschakka!“ zu rufen. Das ist in etwa 90% des Konzepts vieler moderner Glücksritter. Aber du kennst mich inzwischen gut genug, um zu wissen, dass ich das nicht kann…
Lass uns stattdessen über einen weiteren Aspekt des Älterwerdens sprechen: Die Reife. Denn es ist nicht unser Körper, der sich weiterentwickelt, sondern auch unser Geist. Und dieser wird in der Regel stärker. Wir sammeln Erfahrungen, wir bilden uns weiter, wir gewinnen neue Perspektiven und wir reflektieren anders. Die Zeit macht uns weiser.
(Und ja, ich gebe zu, dass es Menschen gibt, die so ignorant sind, dass sie selbst noch im höchsten Alter gegen die lehrreichen Effekte der Zeit immun bleiben. Da du dich aber bewusst dazu entscheidest, hier auf einem Blog zu sein, auf dem du dich weiterbildest, gehe ich davon aus, dass wir uns bei dir keine Sorgen machen müssen 😉 )
Mit der angesprochenen Reife und Erfahrung entsteht auch die Möglichkeit, etwas zu tun, das vielen undenkbar erscheint: Den Wandel und die Vergänglichkeit annehmen.
Ich spreche hier nicht davon, das Älterwerden zu akzeptieren, so wie man widerwillig eine bittere Pille schluckt. Ich spreche davon, seinen Frieden damit zu machen. Ich rede von einem tiefen Verständnis der Tatsache, dass das Altern – genauso wie der Tod – zum Leben dazugehört. Dass es einer der Hauptgründe dafür ist, dass das Leben kostbar ist. Dass wir keine Angst davor haben müssen, sondern dass alles seine Richtigkeit hat.
Es ist ebenfalls ein Zeichen von Reife, Weisheit und Würde, zu erkennen, dass eine Entwicklung auch dann gut und richtig sein kann, wenn sie uns nicht immer gefällt. Dass es in Ordnung ist, einen tieferen Sinn hinter all den Mechanismen des Lebens anzuerkennen, auch wenn man ihn nicht immer selbst erfassen kann.
Es erfüllt uns ein schwer zu beschreibender Frieden, wenn wir aufhören zu versuchen, uns gegen den Fluss des Lebens zu wehren und stattdessen die Reise genießen. Wenn wir anfangen, dankbar dafür zu sein, Teil dieser Reise sein zu dürfen.
Wenn wir aufhören, uns darüber zu beschweren, dass die Reise irgendwann „enden“ wird und stattdessen einfach froh sind, jeden Tag mitzunehmen, den wir erleben dürfen.
Die emotionale Reife erlaubt es uns, etwas zu verstehen, das viele niemals reflektieren: Dass wir uns verändern, ist etwas Schönes. Es ermöglicht uns, im Laufe unseres Lebens viele Rollen einzunehmen. Uns immer wieder neu zu erfinden. Unsere Identität zu erweitern.
Denn eines der zentralsten Probleme, das Menschen mit dem Altern haben, ist die Veränderung. Wir haben Angst davor, nicht mehr der Mensch zu sein, der wir mal waren, anstatt uns darüber zu freuen, dass wir uns entwickeln können. Denn leider unterliegt der Großteil unserer Gesellschaft dem Irrglauben, ein älterer Mensch sei weniger gut, weniger wertvoll oder auch weniger relevant.
Dieser Gedanke ist jedoch nur valide, wenn wir Menschen ständig nach demselben Maßstab bewerten. Beispiel: Wenn wir auf dem Bau nur darauf schauen, wer wie viel körperliche Arbeit leisten kann, wird ein 60-Jähriger immer neben einem 30-Jährigen irrelevant wirken.
Aber was passiert in dem Moment, wenn wir die beiden Arbeiter auch nach Erfahrung, Expertise, Verantwortung und Führungsqualität bewerten? Dann sieht die Geschichte plötzlich ganz anders aus…
Die Gesellschaft bewertet vor allem Frauen nach ihrem Aussehen und bemisst Schönheit nach unrealistischen Standards. Auf diese Weise wird eine 60-Jährige fast immer neben einer 30-Jährigen irrelevant wirken. Wenn wir aber über die Beschaffenheit einer Haut oder die Rundung gewisser Körperteile hinaussehen, erkennen wir, dass Schönheit auch von ganz anderen Faktoren abhängig gemacht werden kann: Intellekt, Güte, Lebenserfahrung, Stil, Weisheit, und vieles mehr. In einer solchen Perspektive ist es plötzlich von Vorteil, mehr Lebenserfahrung zu haben…
Es ist nicht mehr und nicht weniger…
…als das, was wir daraus machen. Das Altern kann eine fantastische Erfahrung sein. Es kann ein grauenvoller Prozess sein. Es kann uns völlig gleichgültig sein. Es ist im wahrsten Sinne exakt das, was wir daraus machen.
Also, wenn ich die Wahl habe und für mich selbst entscheiden darf, wie ich die unumkehrbare Entwicklung von Körper und Geist wahrnehme, dann will ich mich für etwas Positives entscheiden. Dann will ich meinen Frieden mit dem machen, das ich nicht ändern kann. Dann will ich lernen, die Aspekte zu akzeptieren, auf die ich keinen Einfluss habe. Dann will ich herausfinden, auf welche Aspekte ich sehr wohl Einfluss habe.
Ich will nicht immer darum trauern, wer ich nicht mehr sein kann. Ich will mich darüber freuen, wer ich nun sein kann, da ich mich weiterentwickelt habe.
Ich will mich nicht lächerlich machen, indem ich versuche, etwas zu sein, das ich nicht mehr sein kann. Ich will in Würde der sein, der ich jetzt bin. Und ich will der Beste sein, der ich jetzt sein kann.
Also egal, an welchem Punkt deines Lebens du dich gerade befindest und egal, wie viele Tage auf deinem Zähler stehen: Du bist jetzt genau dort, wo du sein sollst. Alles ist gut, wie es ist.
In der Hoffnung, den ein oder anderen inspirierenden Gedanken auszulösen, verabschiede ich mich ins Wochenende.
Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael
Titelbild: Unsplash.com, Rod Long







Lieber Michael,
Du hast mir aus der Seele gesprochen.
Das Leben ist keine Generalprobe, hat mein Sohn in seinem WhatsApp Account stehen.
Das Leben im jetzt anzunehmen und so zu führen, dass ich damit zufrieden und glücklich bin ist das wichtigste für mich.
Da wir hier nur ein Leben führen können, ist es müßig sich Gedanken zu machen und darüber zu ärgern, was wäre, hätte wenn und aber.
Wahre Schönheit kommt von innen, egal in welchem Alter.
Ich sehe die Erfahrung der Jahre nur positiv. Mache mir keine Gedanken über Falten und graue Haare, deshalb schätzt mich auch niemand auf über 70 Jahre.
Hallo Michael, von Joachim Fuchsberger soll der Satz stammen „Alt werden ist nichts für Feiglinge“. Da ist sicherlich etwas wahres dran; allerdings kann ich das aus meiner Sicht noch nicht bestätigen, da ich erst 73 Jahre alt bin und mich – trotz einiger Altersbeschwerden – aktuell noch sauwohl fühle. Ich muss nichts mehr beweisen und kann mein Leben so geniessen, wie es mir gefällt. Wenn ich Glück habe, dann sind mir vielleicht noch 10 gesunde Jahre geschenkt, und ich darf jeden neuen Tag mit Dankbarkeit begegnen. Weil sich auf der Welt so vieles zum negativen verändert, fällt es mir leicht, dem Alter und dem Ende meines Lebens relaitv gelassen entgegen zu gehen. Danke für Deinen wunderbaren Blogbeitrag, dessen Lektüre ich sehr genossen habe.
Lieber Michael,
erstmal herzlichen Glückwunsch zum 500. Artikel und weiterhin viel Energie beim Verfassen dieser schönen und weisen Wegbegleiter!!
Dieser Beitrag erscheint genau an meinem 12. Hochzeitstag. Auch in einer Beziehung sind Wandel und Reife wichtige Themen. So viel sich in den Jahren ereignet und verändert hat, so ist das Herz der Beziehung beständig. Dies erfüllt mich mit großer Dankbarkeit. Gemeinsame Erinnerungen und Horizonte einen uns. Das kann ich nur sagen, weil die Erfahrung der vergangenen Jahre mir dies ermöglicht.
Dir ein wunderschönes Herbstwochenende.
Sonnige Grüße
Schon 500 Artikel – wow Michael. Und jede Woche überraschst du uns neu mit deinen tiefen, inspirierenden Gedanken. So wie auch heute wieder. für mich hat der heutige Artikel wieder einmal viel bewirkt und mich sehr zum Nachdenken angeregt. Das Altern auf diese Weise zu betrachten macht wirklich Mut. Egal in welchem Alter. Danke!!
Ganz liebe Grüße
Luisa
Super Artikel, Michael. Gefällt mir richtig gut
Lieben Gruß und schönes Wochenende, Simon
Lieber Michael, danke für diesen wunderschönen Blogartikel. Ich komme langsam in ein Alter, in dem ich vermehrt über die Zukunft und das Altern nachdenke und hin und wieder auch ein wenig damit kämpfe… In deinen Worten finde ich mich wieder und sie geben mir eine neue Perspektive, die mir beim lesen sofort eine Last von den Schultern genommen hat. Dafür danke ich dir 🙂
Ich wünsche dir ein erholsames und glückliches Wochenende.
Und natürlich herzlichen Glückwunsch zum 500. Blogartikel!
Herzlichst,
Maren
Guten Morgen! Hab Dank für so viel Inputs…es ist doch auch so…jeder hatte das Glück 🍀einmal jung zu sein, doch nicht jeder hat das Glück alt werden zu dürfen…(stammt nicht von mir, ist aber die beste Motivation, für mich jeden Tag) Auch wenn nicht jeder sein Leben liebt, ist es für mich das größte Geschenk, das ich erhielt…die schönste und zugleich schwierigste Aufgabe, für mich…das Leben! In diesem Sinne…macht etwas daraus. Viele Grüße Schatzheidi
Auch ich gratuliere zum 500. Artikel…. War von Anfang an dabei und habe alle gelesen, die haben mein Leben positiv verändert und das ist immer noch so!
Vielen Dank dafür und der heutige Artikel ist absolut perfekt!
Freue mich schon auch die nächsten 500!!!
Lieber Michael,
Ich lese seit einigen Jahren alle Deine Blogartikel, schaue Deine Videos und habe auch einige Deiner Bücher gelesen. Alles war immer ein guter Begleiter und Berater auf meinem Weg. Besonders bei Deinen Blogartikeln habe ich mich oft gefragt, wie Du es immer wieder schaffst, genau das Thema zu treffen, das mich gerade beschäftigt.
Aber dieser Artikel jetzt übertrifft es. Ich bin 59 Jahre JUNG und fühle mich absolut nicht alt, eher im Gegenteil. Und trotzdem triggert (wie man ja jetzt so schön sagt….) mich es in der letzten Zeit sehr oft, wie ich fast täglich daran erinnert werde, wie „alt“ ich bin. Und trotzdem denke ich oft, wie gut, dass ich jetzt nicht mehr so jung bin wie…. das möchte ich in der heutigen Zeit nicht mehr erleben oder gar nochmal das erleben, was ich erlebt habe.
Und ich merke, dass plötzlich jüngere Menschen mir mit viel mehr Respekt gegenüber treten, dass meine Meinung etwas zählt und man mich um Rat fragt. Das ist eine wunderbare Erfahrung.
Du hast mir mit Deinem Artikel genau das noch mehr bewusst gemacht. Leider fällt aber morgens und abends der Blick in den Spiegel nicht immer so positiv aus ☺️ aber ich bin wir ich bin und darauf bin ich stolz.
Auch wenn’s ab und an mal am Selbstwertgefühl kratzt…
Danke Dir für diesen Artikel, der mich gerade wieder aus einem kleinen „Tief“ heraus geholt hat.
Liebe Grüße, Sabine
Hallo Michael ich lese Deinen Block und Deine Bücher super gerne.Die Themen regen mich immer wieder an über eigene Erlebnisse und Empfindungen nachzudenken lg Rosemarie
Lieber Michael, bin jetzt 74 Jahre alt, habe fast alle deine Blogs und alle deine Bücher gelesen. Sie haben mich inspiriert und bestärkt und bestätigt!
Lese deinen Blog jede Woche und finde immer noch Anregungen!
Vielen Dank
Karin
Lieber Michael, ich gratulier Dir zum 500. Blogartikel! Hervorragend!
Altern? Ich bin fast 50 und denk mir grad so…. „Wow, was sich da noch auftut.“
Was weltliches erreichen will ich nicht, das wollte ich auch selten. Ich wurde meistens geleitet.
Alles Liebe Michael, auch alles Liebe den Lesern.
Maria
Lieber Michael,
dein Artikel ist soo schön! Und von einem Menschen geschrieben, der noch gar nicht so alt ist :-). Ich finde es toll, dass du dich da hineinversetzen kannst. Habe selber die 50 überschritten.
Ich habe noch eine ganz andere Frage an dich, falls du das liest. In deinen Videos hängt ein Bild, das man nicht genau erkennen kann. Das wäre prima, wenn du das mit uns teilen würdest. Liebe… Lache… Lebe… Bleib…
Danke, dass es dich gibt!
Herzliche Grüße, Petra