Es lohnt sich, seine Grenzen zu kennen…

Vor einigen Jahren lernte ich bei einem Geschäftsessen einen Mann kennen, der sich bereits seit Jahren nur noch mithilfe eines Rollstuhls fortbewegen konnte. Er war sehr sympathisch und überaus freundlich zu mir. Bei diesem Treffen war ich mit Abstand der jüngste Teilnehmer und die anderen Unternehmer überschlugen sich geradezu vor Eifer, weil jeder mir die besten Tipps geben wollte. Jeder schlug mir eine andere Strategie für den Aufbau meiner Autorenkarriere vor und einige hielten meine Ideen für unmöglich. Man sagte mir jugendlichen Leichtsinn nach und belächelte meinen Optimismus. Der einzige, der bis zu diesem Zeitpunkt geschwiegen hatte, war der Mann im Rollstuhl. Als er schließlich zu sprechen begann, erteilte er mir eine der wichtigsten Lektionen meines Lebens.

Er sagte: „Wenn wir darüber sprechen würden, einen Marathon zu laufen, dann würde ich dir sagen, es sei unmöglich. Schließlich sitze ich im Rollstuhl. Aber bedeutet das, dass es auch für dich unmöglich ist?“
„Nein“, sagte ich vorsichtig, denn es war mir unangenehm, so offen über sein Handicap zu sprechen.
„Richtig!“, rief er lächelnd. „Also warum zum Teufel lässt du dir von mir und den anderen hier sagen, deine Ziele seien unmöglich zu erreichen? Wenn wir von unseren Grenzen sprechen, dann sprechen wir von unseren Grenzen. Nicht von deinen. Nur du weißt, was in dir steckt. Es liegt in deiner Verantwortung, das möglich zu machen, was du erreichen willst. Lass dir nicht sagen, was du kannst oder nicht.“

Manche halten es für einen arroganten Zug von mir, doch tatsächlich habe ich mir seit diesem Tag nie wieder sagen lassen, was ich kann oder nicht. Zuvor hatte ich ein Leben geführt, bei dem die „Machbarkeit“ meines Lebens immer davon abhing, wie andere darüber nachdachten. Doch an diesem Tag schlug die Erkenntnis wie ein Blitz in meinen Schädel ein, dass es allein in meiner Verantwortung liegt, was möglich ist und was nicht. Und ich möchte dich dazu motivieren, auch mal darüber nachzudenken.

Eine ehrliche Sache

Wir wollen, dass das hier eine faire und ehrliche Sache ist. Deshalb möchte ich direkt klarstellen: Wenn du allein bestimmst, wo deine Grenzen liegen, musst auch du allein Sorge dafür tragen, deine Ziele zu erreichen. Arbeite im Stillen und lass den Erfolg deine Stimme sein. Bitte andere nur um Rat, wenn du auch bereit bist, ihn anzunehmen. Verfluche niemanden, nicht einmal das Leben oder das Schicksal, wenn mal etwas nicht klappt wie gewünscht. Wenn du scheiterst, dann lerne aus deinen Fehlern und steh wieder auf. Du willst dir nicht sagen lassen, was du nicht kannst. Dann sag anderen auch nicht, was sie nicht können. Das ist nur fair. Hab keine Erwartungen. An niemanden. Nimm das Leben so, wie es auf dich zukommt und lerne auf diese Weise, mit jeder erdenklichen Herausforderung umzugehen.

Zieh dir immer wieder Schuhe an, die dir ein wenig zu groß sind und wachse langsam hinein. Soll heißen: Verlasse die Komfortzone und erweitere sie. Gehe kleine Risiken ein. Wenn du immer nur tust, was du schon kannst, wirst du immer bleiben, was du schon bist. Es ist wie im Fitnessstudio: Wenn du nur die Gewichte hebst, die du schon heben kannst, wirst du nicht stärker werden. Es geht darum, sich langsam und vorsichtig, aber auch entschlossen zu steigern.

Kleine Risiken sind wertvoll. Wenn du gewinnst, kommst du einen Schritt weiter. Wenn du verlierst, war die Fallhöhe nicht allzu schlimm. Versorge deine Wunden, wachse daran und mach weiter! So findest du heraus, wo deine Grenzen liegen. Wenn es dir zu viel wird, gehst du vom Gas und machst eine Pause. Wenn du merkst, dass du noch weiter kannst, dann lass dich nicht aufhalten. Aber lass dir niemals eine Grenze aufzeigen, die du nicht selbst getestet hast. Seine Grenzen selbst zu bestimmen, ist pure Freiheit und Eigenverantwortung.

Selbstverständlich ist die allgemeine Grenze immer, anderen keinen Schaden zuzufügen. Das sollte jedoch klar sein 😉 Solange niemand darunter leidet, kannst du tun und lassen, was du für richtig hältst. Du musst nur bereit sein, die Konsequenzen selbst zu tragen, sowohl im Falle eines Sieges als auch im Falle einer Niederlage.

Ein großes Abenteuer

Seit ich selbst für mein Leben verantwortlich bin, habe ich das Gefühl, wirklich zu leben und nicht nur zu existieren. Wenn es im Alltag nicht darum geht, eine Routine abzuwickeln, sondern stets aus dem Vollen zu schöpfen, dann ist das Leben ein großes Abenteuer. Die Erfolge fühlen sich intensiver an und die Niederlagen schmerzen deutlich heftiger. Aber so ist das Leben und das macht es so aufregend.

Ich hoffe, dass dich diese Zeilen dazu ermutigen, die Komfortzone zu verlassen und zu entdecken, wozu du wirklich in der Lage bist.

Achja: Bei dem eingangs erwähnten Geschäftsessen ging es darum, dass ich davon träumte, als sogenannter „Selfpublisher“ 100.000 Exemplare meiner Bücher zu verkaufen. Die anderen hielten das für unmöglich und rieten mir, meine Zeit und Energie in etwas anderes zu investieren. Sie sagten, selbst mit einem großen Publikumsverlag sei das sehr schwierig und deshalb hätte ich alleine gar keine Chance.

Bis heute haben sich meine selbstveröffentlichten Bücher mehr als eine halbe Millionen Mal verkauft. Und die von Verlagen herausgegebenen Bücher sind nochmal eine andere Geschichte. Stell dir mal vor, ich hätte mir damals die Grenzen anderer aufbinden lassen…

Also lass dir niemals sagen, wo deine Grenzen liegen, ehe du sie nicht selbst ausgetestet hast. Ich wünsche dir viel Erfolg dabei!

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Markus Spiske