Für alle, die auch noch einen Ansatz suchen…

Es könnte so einfach sein. Oder etwa doch nicht? Ich spreche vom Leben. Man möchte meinen, dass eigentlich nicht viel dazugehören sollte, ein erfülltes Leben zu führen:

  • Bleib gesund und halte dich fit
  • Verbringe Zeit mit Dingen, die dich erfüllen
  • Liebe deine Mitmenschen und lasse dich von ihnen lieben
  • Finde eine Lebensaufgabe, die dir zusagt
  • Sei dankbar

Der Idealist und Träumer in mir sagt, dass das Leben so einfach sein könnte. Der Realist in mir sitzt auf dem harten Boden der Tatsachen und weiß, dass dies Wunschdenken ist. Die wenigsten von uns sind gesund und fit. Wer von uns investiert bitte den Großteil in Dinge, die ihn erfüllen? Stehen wir in Frieden und Liebe mit all unseren Mitmenschen? Haben wir die eine große Lebensaufgabe und Leidenschaft schon gefunden? Und weißt du nicht auch genau, wie schwer es manchmal sein kann, dankbar zu sein? Sogar dann, wenn man im Grunde von Herzen dankbar für das Leben ist…

Unseren eigenen Einflussbereich im Griff zu haben, ist schon schwer genug. Noch komplizierter wird es, wenn wir über ihn hinausblicken.

Von hier an kann ich nur für mich sprechen, und ich muss dir ganz ehrlich sagen, dass ich hin und wieder auf Kriegsfuß mit der Welt stehe. Es macht mich müde und kotzt mich an, dass es so viel Gewalt, Unrecht und Probleme auf der Welt gibt. Ich finde es bescheuert, dass so viele Menschen hungern und im Elend verenden, während andere Champagner auf einer riesigen Yacht schlürfen. Versteh mich bitte nicht falsch: Als Unternehmer verstehe ich sehr gut, wie es dazu kommt und warum unser System so funktioniert. Das heißt aber nicht, dass ich es gut finde.

Ob wir wollen oder nicht, wir alle sind Teil eines großen Hamsterrades und ich glaube, dass ich dir nicht sagen muss, wie schwer es ist auszubrechen.

Wir führen ein so kompliziertes Leben, dass es mal eben zur Lebensaufgabe wird, sich ein einfaches Leben zu erarbeiten. Völlig bescheuert, oder?

Es ist nicht leicht

Vor einigen Jahren bin ich auf den Trichter gekommen, einfach stets mein Bestes zu geben und Verantwortung für mein Leben und meinen Einflussbereich zu übernehmen. Ich dachte, dass ich Frieden darin finden würde, mich einfach um meinen Kram zu kümmern. Das funktionierte auch bis zu einem gewissen Grad. Aber es änderte nichts an der Tatsache, Teil einer Welt zu sein, die nicht so läuft, wie man es sich wünschen würde. Irgendwie kommt der Frust doch immer wieder durch.

Neulich erst dachte ich daran, dass ich gerne die ganze Welt bereisen und mir so viel wie möglich ansehen würde. Doch dann fiel mir ein, wie viele Länder man aus rein politischen Gründen überhaupt nicht bereisen kann. Wie unnötig…

Vor wenigen Tagen erst griff ich im Supermarkt nach einer Avocado und musste unweigerlich daran denken, wie viele Menschen wohl leiden mussten, damit ich diese Frucht in meiner Hand halten kann. Du kannst dir sicherlich denken, wie sich das auf meinen Appetit ausgewirkt hat.

Ich schalte die Nachrichten ein, um mir „Neuigkeiten“ anzuhören, und die Neuigkeiten sind jeden Tag dieselben: Es wird nichts Positives berichtet, sondern der Eindruck erzeugt, dass sich die Katastrophen jeden Tag noch weiter auftürmen.

Weißt du, manchmal frage ich mich, ob das alles ein schlechter Scherz ist. Können wir denn wirklich alle so blind und dumm sein? Finden wir das, was wir heutzutage „Leben“ nennen, wirklich gut? Warum nehmen wir die Welt einfach so hin wie sie ist?

Alles doch nicht so düster?

Wie du schon merkst, sind das alles sehr negative und düstere Gedanken. Sie machen wenig Hoffnung. Aber hier ist gleichzeitig auch der Wendepunkt meiner Argumentation.

Es ist ganz offensichtlich unmöglich, in einer perfekten Welt zu leben. Aber was wäre, wenn es überhaupt nicht Sinn und Zwecks des Lebens ist, eine perfekte Welt zu haben?

Wenn wir mal ganz ehrlich sind, dann stellen wir fest, dass die schwersten und schmerzhaftesten Erfahrungen jene sind, die uns am meisten prägen. Es sind diese harten Lektionen, durch die wir am meisten lernen. Das habe ich nicht nur an mir selbst gespürt, sondern sehe es auch bei den vielen Menschen, mit denen ich zusammenarbeite.

Im Nachhinein sind wir stolz auf das, was wir aus unseren größten Herausforderungen gemacht haben. Aber hätten wir uns diese Lektionen und das damit einhergehende Wachstum auch freiwillig ausgesucht?

Auch hier kann ich wieder nur für mich sprechen, und die ehrliche Antwort lautet: Nein. Hätte ich es mir vor 10 Jahren aussuchen können, hätte ich mich ausdrücklich gegen den Schmerz und gegen das Leid entschieden. Mein Leben wäre bequemer gewesen. Aber ich wäre heute auch nicht da, wo ich bin. Diese Zeilen hier würdest du nicht lesen. Und ich glaube, dass es uns allen so geht.

Was würden wir lernen und wie würden wir unsere Stärken entdecken, wenn das Leben immer nur ein Zuckerschlecken wäre? Und wie würden wir die Welt wahrnehmen, wenn sie immer nur Friede, Freude und Eierkuchen wäre?

Frieden? Nennen wir es einen Kompromiss

Ich finde vieles, was dieses Leben und unsere Welt ausmacht, immer noch nicht gut. Und ich möchte ausdrücklich betonen, dass ich hier nichts schönreden will. Ich kann aber auch nicht so tun, als wäre alles nur negativ.

Ob es mir gefällt oder nicht: Schmerz treibt mich an. Er lässt mich besser werden. Dass ich gerade nur von mir spreche, ist reine Diplomatie. Ich möchte nicht alle in eine Schublade stecken und behaupten, es ginge allen so. Doch die Wahrheit ist, dass ich fest daran glaube, dass es auf uns alle zutrifft. Wir alle werden durch den Schmerz besser. Wir werden klüger, weiser, erfahrener, demütiger, tiefsinniger und vor allem stärker.

Wenn ich davon spreche, meinen Frieden mit der Welt zu machen, heißt das nicht, dass mir alles egal ist. Es heißt auch nicht, dass ich furchtbare Ereignisse gut finde. Ich akzeptiere schlicht und einfach, dass zu vieles außerhalb meines Einflussbereichs liegt. Anstatt vor Kummer in dieser Erkenntnis zu ertrinken, möchte ich es irgendwie schaffen, doch immer wieder das Beste für mich herauszuholen, so egoistisch das auch klingen mag.

Ist das wirklich Frieden? Puh, gute Frage. Es ist wohl eher ein Kompromiss.

Die Welt kann grausam sein, und manchmal fühlt es sich unmöglich an, etwas Grausames zu akzeptieren. Aber die Welt ist nicht ausschließlich grausam. Warum also nicht das Gute genießen und das Unvermeidliche nutzen, um daran zu wachsen, auch wenn dieser Prozess wehtut?

Es gibt Menschen, denen all das am Allerwertesten vorbeigeht. Menschen, die einfach leben, ohne jemals darüber nachzudenken. Ich gratuliere jedem von Herzen, der so leben kann. Ernsthaft. Ich ziehe meinen Hut und strotze vor Bewunderung. Ich schaffe das nicht. Das hat klare Vor- und Nachteile.

Mir ist völlig bewusst, dass es da draußen – und vor allem hier auf dem Blog – sehr viele Personen gibt, die so gestrickt sind wie ich. Menschen, die einfach alles hinterfragen und viel grübeln. Menschen, die ein großes, liebendes und leidendes Herz haben und sich nichts sehnlicher wünschen als ein glückliches Leben für alle. Was soll ich sagen… wir werden weiterhin leiden. Aber dafür werden wir auch weiterhin wachsen und Lektionen erfahren, die all jenen verwehrt bleiben, die sich niemals dem Schmerz stellen.

Eine simple Wahrheit

Zum Schluss würde ich gerne noch ein Zitat von Erich Fromm anführen, das ganz gut zum Thema passt:

     „One cannot be deeply responsive to the world without being saddened very often.“

Frei übersetzt:

     „Man kann nicht tief empfänglich für die Welt sein, ohne sehr oft traurig zu werden.“

 

Vielleicht ist das eine Tatsache, die wir einfach akzeptieren müssen. Vielleicht ist dies ein fester Bestandteil einer erfolgreichen Persönlichkeitsentwicklung. Vielleicht würde das Leben ohne den Schmerz deutlich weniger Sinn ergeben. Vielleicht…

Mit diesen Worten und der aufrichtigen Hoffnung, alle ähnlich Denkenden ein wenig unterstützt zu haben, verabschiede ich mich ins Wochenende.

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Ben White