Für alle, die das Gefühl haben, festzustecken.
Es gibt da diesen einen Gedanken, der uns an unglückliche Situationen fesselt. Manchmal über Monate, manchmal über Jahre. Er lautet:
„Ich habe schon so viel investiert. Ich kann jetzt nicht einfach alles aufgeben.“
Also bleiben wir.
Wir bleiben in Beziehungen, in denen wir unglücklich sind.
Wir bleiben in Jobs, die uns den letzten Nerv rauben.
Wir bleiben in Freundschaften, die uns längst keine Wärme mehr geben.
Wir bleiben in finanziellen Verpflichtungen, die uns die Luft zum Atmen nehmen.
Wir bleiben in all diesen Dingen, weil wir hoffen, dass es sich doch noch irgendwie lohnen könnte. Dass sich unser Schmerz irgendwie doch noch in Erfolg und Belohnung verwandeln könnte. Dass eine Veränderung eintreten wird, von der wir in Wirklichkeit wissen, dass sie nicht kommen wird. Wir wissen das. Zumindest die meisten von uns. Aber wir wollen es nicht wahrhaben.
Der Trugschluss der versunkenen Kosten
Das, was ich hier beschreibe, nennt man „sunk cost fallacy“ – zu Deutsch: Trugschluss der versunkenen Kosten.
Ich nenne es auch gerne den „Roulette-Gedanken“.
Stell dir vor, du würdest im Casino Roulette spielen. Du setzt eine Wette und verlierst. Nun denkst du dir: „Hmm, wenn ich noch einmal denselben Einsatz mache und gewinne, habe ich meinen Verlust wettgemacht.“
Also setzt du erneut. Und du verlierst erneut. Was tust du nun?
Hast du die Disziplin, aufzustehen und den Verlust zu akzeptieren? Oder spielst du weiter, weil du darauf hoffst, alles zurückholen zu können?
Die meisten Menschen bleiben am Tisch. Sie denken sich:
- „Ich habe eh schon so viel verloren, da kann es ja nicht schlimmer werden.“
- „Ich habe jetzt so viel investiert, da kann ich nicht einfach aufhören.“
- „Ich muss nur ein einziges Mal richtig Glück haben, dann wird alles wieder besser.“
Aber in den meisten Fällen wird es nicht besser. Die wenigsten haben das Glück, Glück zu haben.
Wir haben viel investiert
Wir hängen an Jobs, Beziehungen und Freundschaften, weil wir bereits sehr viel investiert haben. Wenn wir all das, was wir reingesteckt haben, auch zurückbekommen hätten, wären wir gar nicht unzufrieden. Unser Unglück entsteht, weil wir spüren, dass wir zu viel gegeben und zu wenig bekommen haben.
Wir fühlen uns wie im Casino. Wir wissen im Herzen, dass es manchmal das Beste ist, einfach aufzustehen, die Verluste hinzunehmen und weiterzuziehen. Aber wir können nicht. Wir haben das Gefühl, es uns nicht leisten zu können. Wir haben das Gefühl, emotional nicht bereit für die Leere zu sein, die auf uns zukommt, wenn wir die Niederlage akzeptieren.
Aber das ist schlicht und einfach nicht richtig. Loszulassen, ist kein Verlust. Es ist ein Gewinn. Ein Gewinn an Leichtigkeit. Ein Gewinn an Klarheit. Und in den meisten Fällen auch ein Gewinn an Selbstwertgefühl.
Wir können im Grunde ganz einfach überprüfen, ob es sich lohnt, zu bleiben oder nicht.
Wenn du in einer Situation feststeckst, dann frage dich, ob du es noch einmal genauso machen würdest, wenn du die Möglichkeit hättest. Wenn du in die Vergangenheit reisen könntest, würdest du nochmal investieren?
Würdest du genauso viel Energie in die Freundschaft stecken? Würdest du genauso viel Arbeit in die Karriere investieren? Würdest du dich auf dieselbe Beziehung einlassen und dir nochmal so viel Mühe geben?
Wenn die Antwort „Ja“ lautet, dann gibt es nichts, worüber du dich beschweren könntest. Dann waren all die Mühen und jede persönliche Investition es wert.
Wenn die Antwort „Nein“ lautet, dann solltest du dich fragen, ob es vielleicht an der Zeit ist, den Spieltisch zu verlassen und die Verluste abzuschreiben.
Wir können immer neu anfangen
Wir gehen nicht weg vom Spieltisch, weil wir glauben, es uns nicht leisten zu können. Wir glauben, der Verlust sei zu hoch. Aber darum geht es gar nicht. Das ist doch gar nicht die Frage, die wir uns stellen sollten. Die Frage, die wir uns wirklich stellen sollten, lautet: Können wir uns erlauben, noch länger zu investieren, ohne einen Erfolg zu haben?
In meinem Büro hängt eine große Leinwand, auf der steht:
„Es ist nie zu spät. Du bist nie zu alt.“
Es gibt einen Grund dafür, dass ich dieses Bild dort aufgehängt habe. Mehr noch: Ich habe dieses Bild selbst gestaltet und anfertigen lassen. Kein Scherz!
Ich glaube daran. Ich glaube daran, dass wir zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens die Entscheidung treffen können, etwas zu verändern.
Etwas zu verlieren, damit wir wieder frei sein können, ist nicht immer ein Verlust. Es kann auch ein Gewinn sein. Hier spreche ich aus Erfahrung.
Falls du das Gefühl hast, in gewissen Bereichen deines Lebens festzustecken, aber dich nicht lösen kannst, weil du glaubst, schon zu viel investiert zu haben, dann lass mich dich bitte an das Folgende erinnern:
Du kannst nochmal neu anfangen. Du darfst nochmal neu anfangen. Jederzeit.
Ich wünsche dir viel Kraft und viel Erfolg.
Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael
Titelbild: Unsplash.com, Alexey Golubev
Wieder Mal den Nagel auf den Kopf getroffen……Vielen lieben Dank!
Margarete
Super Artikel, Michael! Respekt
Michael-Du und Deine Gedankenwelt…einfach nur super!
Ich konnte Deine Fragen vor den diversen Aufbrüchen alle mit“ gut“ beantworten. Vieles entpuppt sich im Nachherein als wichtige Entwicklungsstufe. Jetzt befinde ich mich wieder vor einer maßgeblichen Entscheidung und bin inzwischen geübter..
Liebe Grüße
Elke T.
Lieber Michael,
wie schaffst Du es eigentlich immer, Dich in die Themen , die die Leser bewegen, zur genau richtigen Zeit hineinzudenken…?
Wenn da nicht auch die Gestirne und Energiefelder, die gerade sehr intensiv auf uns einwirken, das Ihre dazu beitragen…?
Wie auch immer, ich genieße Deinen Input jedes Mal aufs Neue und er kommt immer zur rechten Zeit!
Vielen herzlichen Dank 🙏
Hallo Michael,
da gebe ich dir fast Recht . Aber immer geht’s halt doch nicht.
Ich bereue z. B. , dass wir in den 80 igern nicht in die Schweiz ausgewandert sind. Mein Mann war damals bei der DB und hätte sich nur bei der SBB bewerben müssen, die Möglichkeit wäre da gewesen. Nun, du könntest jetzt sagen, wir könnten immer noch in die Schweiz, ABER mit unserer deutschen Rente in der Schweiz über die Runden zu kommen funktioniert leider nicht, das ist Fakt, als Normalo 😂.
Dafür hat unser Sohnemann den Schritt getan und lebt schon einige Jahre dort . Darüber bin ich auch sehr froh und dankbar 🙏🏼.
Übrigens, was ich bis jetzt in deinem neuen Buch gelesen habe, ist 👍🏼 👍🏼👍🏼
Ich wünsche Dir weiterhin alles erdenklich Gute und bleib am Ball. Du tust vielen Menschen gut
Danke dafür.
Ein wunderschönes Wochenende
LG Loni
Hallo Loni,
ich verstehe dich sehr gut. Auch ich habe in jungen Jahren eine Entscheidung getroffen, die ich so heute wohl nicht mehr treffen würde. Ich weiß, wie schwierig es ist, sich selbst das zu verzeihen.
Michael, du glaubst gar nicht, wie gut mir deine Worte heute tun. Sie passen so gut zu meiner Situation und ich finde mich in allem was du schreibst wieder. Das hilft mir sehr. Dafür danke ich dir.
Ich wünsche dir ein wundervolles Wochenende!
Gruß
Jana
Lieber Michael,
mir fehlen die Worte, um auszudrücken, wie dankbar ich für diese Worte bin.
Herzlichen Dank
Anna
Lieber Michael,
Dein Artikel ist mal wieder sehr inspirierend und erreicht mich kurz vor meiner (hoffentlich) lebensverändernden Ausbildung und dem Wechsel meiner beruflichen Ausrichtung mit 50.
Ich danke dir sehr und freue mich auf ein Coaching mit dir.
Danke, für deine wundervollen Worte
Hallo Michael ☺️Manchmal braucht es genau solche Worte an der Wand –
und solche Artikel, wie dieser jetzt fürs Herz und neue Wege.
Danke fürs Teilen der Gedanken, die Mut machen und einen berühren!
Guten Morgen Michael!
Du triffst immer den Nagel auf den Kopf!
Danke für Deine inspirierenden Worte!
Beruf, Finanzen, Beziehung, Freizeit – das stimmt, wir können immer wieder neu starten, jeder ist seines Glückes Schmied!
Aber es ist auch schwer aus seiner Routine auszubrechen!
Es freut mich immer, von Dir zu hören!
Alles Gute 😌🍀
Bleibt gesund!!!
LG Micha 😌😌
Michael, danke für diesen Artikel. Mir geht es so, dass „ich den Spieltisch“ verlassen habe, als ich mich vor 10 Jahren von meinem Exmann getrennt habe. Heute bereue ich jedoch immer noch, dass ich mich in jungen Jahren für diesen Mann entschieden habe. Ich habe aktuell keine Familie; ich bin aber ein absoluter Familienmensch. Und hier denke ich – hätte ich mich nur damals anders entschieden. Mein Leben wäre ganz anders verlaufen. Mittlerweile bin ich in einem Alter, wo eigene Familiengründung vorbei ist.
Es geht darum, diesen „Fehler“ mir selbst zu vergeben und meine damalige Entscheidung anzunehmen.