Eine Perspektive, die Neuanfänge in ein anderes Licht rückt…

Wie viele wissen, bin ich kürzlich 32 Jahre alt geworden. Ein für mich stolzes Alter. So alt war ich zuvor noch nie 😉

Aber ernsthaft: Bin ich jetzt schon alt oder noch jung? Eine Frage der subjektiven Wahrnehmung, ich weiß. Wer gerade erst 18 Jahre alt ist, dem treibt mein Alter den Angstschweiß auf die Stirn. Wer hingegen schon die 60 hinter sich gelassen hat, lacht darüber und wird mir bescheinigen, dass ich noch so frisch wie ein Löwenzahn im Morgengrauen bin.

Wir haben also gewisse Vorstellungen davon, was „alt“ ist und was nicht. Dabei orientieren wir uns oft am medizinischen Alter einer Person.

Ich werde dir jetzt keinen pseudo-positiven Motivationskram auftischen und behaupten, du seist auch mit 99 Jahren noch blutjung. So positiv und optimistisch ich auch sein mag, am Ende des Tages bin ich immer noch Realist. Mir ist die durchschnittliche Lebenserwartung ein Begriff. Ich werde einer 75-jährigen Person also nicht erzählen, sie sei jung. Genauso verstehe ich jedes Augenrollen, das ich erhalte, wenn ich mit meinen 32 Jahren voller Panik ein graues Haar aus meinem Bart zupfe.

ABER, und hier kommt mein berühmtes großes Aber, ich rolle genauso mit den Augen, wenn der 75-Jährige so tut, als sei sein Leben schon vorbei, oder als wäre es zu spät, um noch etwas Großes im Leben zu bewegen.

Wenn es einen Glaubenssatz gibt, den ich NIEMALS aufgeben möchte, dann ist es dieser: „Du bist nie zu alt. Es ist nie zu spät.“

In meinem Coaching-Studio hängt ein großes Wandbild, auf dem exakt diese Worte stehen. Sie liegen mir sehr am Herzen.

 

Du bist nie zu alt. Es ist nie zu spät.

In meinem Studio sitzen regelmäßig Menschen, die sich bereits in Feierabendstimmung befinden. Neulich erst war jemand da, der jetzt 44 Jahre alt ist und behauptete, er habe die besten Zeiten seines Lebens hinter sich. Empathisch betrachtet kann ich dieses Gefühl zwar zurückverfolgen und nachempfinden, doch aus einer realistischen Perspektive ist das natürlich Unsinn. Dasselbe denke ich übrigens auch, wenn jemand im Alter von 65 oder 80 Jahren Feierabendstimmung verbreitet.

Das Leben ist erst vorbei, wenn es vorbei ist. Solltest du also gerade feststellen, dass dein Herz schlägt und deine Atmung funktioniert, dann bist du noch im Spiel. Herzlichen Glückwunsch! Und solange du noch im Spiel bist, hast du alle Möglichkeiten, dich und dein Leben nach Belieben anzupassen.

Ja, hier kommt wieder der Realist, der mir sagt, dass wir mit 88 Jahren keine Karriere mehr als Stabhochspringer beginnen werden. Schon verstanden. Aber können wir mal bitte aufhören, immer nur auf das zu schauen, was nicht möglich ist? Wie wäre es, den Fokus stattdessen auf das zu richten, was jetzt erst möglich ist, weil wir JETZT an einem Punkt sind, an dem wir viele wertvolle Erfahrungen gesammelt haben?

Für alles im Leben gibt es Phasen. Es gibt Phasen, in denen wir lernen und wachsen. Phasen, in denen wir auf die Nase fallen. Phasen, in denen wir heilen. Phasen, in denen wir aufblühen. Und Phasen, in denen wir genau wissen, was wir wollen und das einfach tun. Dieses ewige Auf und Ab des Lebens braucht einfach Zeit. Und es liegt an uns zu entscheiden, was wir aus den jeweiligen Phasen machen, und ob wir von ihnen profitieren oder nicht.

 

Erfrischend positive Beispiele

Mir sind die Leute sehr sympathisch, die sich ihr Alter und ihre Lebenserfahrung zunutze machen, um ihre Zukunft glücklicher zu gestalten. Dabei ist es völlig egal, wie lange diese Zukunft noch sein wird. Mein Lieblingsbeispiel dafür ist ein Mann, von dem ich vor einiger Zeit schon einmal erzählt habe. Er war über 90 Jahre alt und schwer krank. Die Ärzte schätzten seine restliche Lebenserwartung kurz ein. Vielleicht noch ein paar Wochen. Seine Tochter kontaktierte mich mit der dringenden Bitte um Kontaktaufnahme.
Der besagte Mann klagte darüber, es sein ganzes Leben lang nur anderen recht gemacht zu haben. Er wollte vor seinem Ableben wissen, wie es sich anfühlt, selbstbewusst zu sein und einfach mal an sich zu denken. Genau dabei half ich ihm. Nach unserem letzten Gespräch gab er mir das vielleicht seltsamste, aber schönste Kompliment, das ich je für meine Arbeit erhalten habe: „Du hilfst mir dabei, in Frieden sterben zu können.“
Zu unserem nächsten Termin erschien er nicht mehr, weil er in der Nacht zuvor friedlich eingeschlafen war.

In diesem Moment begriff ich, dass man wirklich nie zu alt ist, und dass es nie zu spät ist, um etwas zum Positiven zu verändern.

Ähnlich motivierend finde ich ein Ehepaar, das beim Eintritt ins Rentenalter beschloss, dass das Leben jetzt nicht enden, sondern gerade erst anfangen sollte. Sie verkauften das Haus, für das sie so lange hart gearbeitet hatten, kauften sich davon ein Wohnmobil und hatten noch reichlich Geld übrig, um die Welt zu bereisen. Ich habe lange nichts von den beiden gehört, bin mir aber sicher, dass sie gerade auf Achse sind. (Falls ihr das gerade lest: Schreibt mir gerne mal eine Mail!)

Darüber hinaus finde ich es inspirierend, wie viele Menschen ihr Liebesleben in ihren Fünfzigern auf Vordermann bringen. Das ist ein Alter, in dem die meisten schon viele Erfahrungen mit Partnerschaft, Ehe und der Gründung einer Familie gemacht haben. Sie wissen nun viel besser als je zuvor, worauf es wirklich ankommt und was sie brauchen, um glücklich zu sein. Deshalb ist das Dating in der Kategorie „50 Plus“ so viel einfacher und unkomplizierter.

Und dann wären da natürlich noch all die neuen Selbstständigen, die rund 10 Jahre vor Renteneintritt nicht so tun, als wäre bald das Leben vorüber, sondern jetzt erst durchstarten. Sie nutzen all die Erfahrungen, die sie in ihrem Berufsleben gesammelt haben und suchen die persönliche Herausforderung, sich da draußen zu beweisen.

 

Alles kann, nichts muss!

Dies sind nur wenige Beispiele für Menschen, die uns zeigen, dass uns zu jeder Zeit des Lebens alle Türen offenstehen. Wir KÖNNEN uns daran ein Beispiel nehmen, müssen aber nicht.

Niemand muss etwas Großes bewegen. Ich möchte hier niemanden unter Druck setzen. Mein Punkt ist lediglich, dass wir jederzeit können, wenn wir wirklich wollen. Es ist einfach unfair uns selbst gegenüber, wenn wir viel zu früh die Feierabendstimmung einläuten. Und selbstverständlich nehme ich damit auch ausdrücklich mich selbst auf die Schippe, denn es gab ernsthaft eine Zeit, in der ich Panik davor hatte, 30 Jahre alt zu werden. Es gab so vieles, das ich noch vorher schaffen wollte und ich hatte das Gefühl, vorher noch die Welt erobern zu müssen. Heute, zwei Jahre später, kann ich darüber nur lachen. Ich fühle mich jünger als je zuvor. Sollte ich mit ausreichender Gesundheit gesegnet sein, wird mein Weg noch lang und aufregend sein.

In der Hoffnung, dich mit diesen Zeilen ein wenig inspiriert zu haben, verabschiede ich mich ins Wochenende. Wo auch immer du gerade im Leben stehen magst: Du bist nie zu alt. Es ist nie zu spät.

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Aziz Acharki