Wie man viele Freunde gewinnt. Und wie man echte gewinnt.

Freunde gewinnen

Ja, dazwischen liegt ein riesiger Unterschied.

Stell dir mal bitte vor, du würdest die Aufgabe bekommen, mit 100 verschiedenen Menschen jeweils 15 Minuten lang ein Gespräch von Angesicht zu Angesicht zu führen. Das Ziel dieser Aufgabe wäre es, mit so vielen dieser Personen wie möglich Freundschaft zu schließen. Nach diesen Gesprächen müssten so viele Leute wie möglich sagen, dass sie sich erneut mit dir unterhalten würden. Wie würdest du das anstellen? Was wäre deine Strategie? Was glaubst du, wie viele Personen du überzeugen könntest?

Und nun verändere ich die Aufgabenstellung ein wenig: Es sind weiterhin 100 Personen und Einzelgespräche von jeweils 15 Minuten. Deine Aufgabe ist diesmal nicht, so viele Freundschaften wie möglich zu schließen. Die Aufgabe lautet, so viele echte Freundschaften fürs Leben wie möglich zu schließen. Am Ende müssten diese Personen und du beide überzeugt davon sein, dauerhaft eine tiefe und enge Freundschaft führen zu können. Wie würdest du das anstellen? Wäre deine Strategie dieselbe wie in der vorherigen Aufgabe? Und was glaubst du, mit wie vielen von 100 Personen du eine solche Freundschaft beginnen könntest?

 

Wie ich Aufgabe 1 lösen würde

Ich möchte ganz ehrlich sein: Für die jeweiligen Aufgabenstellungen würde ich verschiedene Ansätze wählen, die komplett unterschiedliche Ergebnisse verursachen.

Bei der Aufgabe, möglichst viele Freunde zu gewinnen, würde ich großen Wert auf den ersten Eindruck legen: Kräftiger Händedruck, direkter Augenkontakt, ein freundliches Lächeln, offene Körpersprache.
Vor allem aber würde ich kaum über mich reden. Ich würde jedes Gespräch mit aufrichtigem Interesse für mein Gegenüber beginnen und viele Fragen stellen. Warum? Weil dies das Geltungsbedürfnis eines jeden Menschen befriedigt. Der Wunsch, wichtig und besonders zu sein, ist tief in uns verwurzelt und formt unser Selbstwertgefühl.

Hätte ich also nur wenige Minuten Zeit, um jemanden dazu zu bringen, mich wiedersehen zu wollen, wäre die Strategie simpel: Ich müsste dafür sorgen, dass diese Person das Gespräch mit mir als maximal angenehm empfindet, sodass sie es wiederholen wollte. Dies erreiche ich am besten, indem ich beim Geltungsbedürfnis ansetze. Wer würde nicht immer und immer wieder mit jemandem sprechen wollen, der einem das Gefühl gibt, interessant zu sein?

Auf diese Weise würde ich sehr schnell herausfinden, wer mein Gegenüber ist, wie diese Person tickt und wofür sie sich interessiert. Entsprechend könnte ich mich nun ein wenig verbiegen und anpassen, um genau das zu sein, was diese Person gerne in anderen sieht. An diesem Punkt könnte ich einfach alles sagen und lügen, dass sich die Balken biegen, nur um mich beliebt zu machen.

„Wow, du stehst auf Rockmusik? Ich auch!“ (Sogar dann, wenn es gar nicht stimmt.)

„Du würdest gerne mal nach Australien fliegen? Das würde ich auch so gerne! Allein schon, um mal Kängurus aus der Nähe zu sehen. Sind das nicht faszinierende Tiere?“

Du siehst, wie das funktioniert. Nicht authentisch. Nicht sympathisch. Nicht sehr langfristig, denn welche falsche Freundschaft hält schon sehr lange? ABER effektiv.

Wie viele der 100 Personen könnte man auf diese Weise wohl davon überzeugen, auch ein weiteres Gespräch führen zu wollen? Bestimmt 80, oder? Ich bin sogar selbstbewusst genug, um zu behaupten, es wären mehr. Was denkst du?

 

Wie ich Aufgabe 2 lösen würde

Bei der Aufgabe, möglichst viele echte Freundschaften zu schließen, wäre mein Ansatz deutlich simpler: Ich wäre einfach ich. Gelassen, selbstbewusst und locker. Ich würde auch von mir erzählen und kein Blatt vor den Mund nehmen. Das heißt: Ich würde einfach sagen, was ich denke. So wie immer, wenn ich mich wohl fühle.

Wie viele von den 100 Menschen ich damit überzeugen könnte? Puh…vielleicht drei? Zwei?

Ich würde sehr viel mehr Ablehnung erfahren als im vorherigen Szenario. Aber ich wäre echt, genauso wie die Freundschaften fürs Leben, die ich gewinnen würde.

 

Was ich dir damit sagen will

Es ist leicht, vielen zu gefallen und es anderen recht zu machen. Die Erfolgsquote ist deutlich höher. Man wird einfacher dafür belohnt. Aber es ist nicht echt, und wir zahlen einen hohen Preis: Wir geben uns auf und verbiegen unsere Persönlichkeit, um das zu sein, was man von uns erwartet.

Dagegen ist es schwer, man selbst zu sein. Es ist schwer, den Mut zu haben, die Person zu sein, die man wirklich ist. Man wird dabei von den meisten abgelehnt. Aber das, was bleibt, ist Authentizität, Ehrlichkeit, wahre Freundschaft und das gute Gefühl, bei sich selbst angekommen zu sein. In einfacheren Worten: Pures Selbstbewusstsein und wahre Wertschätzung. 

Ich bin jetzt seit über 10 Jahren selbstständig. Als Buchautor und Coach habe ich fantastische Menschen kennenlernen dürfen. Ich bin einfach ich, und auf diese Weise begegnen mir immer wieder wunderbare Personen, die ähnlich denken wie ich. Menschen, die mich akzeptieren, respektieren und wertschätzen. Leute, die mir das Gefühl geben, dass ich gut bin, so wie ich bin.

Doch in diesen 10 Jahren musste ich auch lernen, dass es schwierig ist, man selbst zu sein. Man wird öfter kritisiert und in Frage gestellt. Viele Menschen wollen in dir nicht das sehen, was du wirklich bist. Sie erwarten einfach nur von dir, dass du ihnen gefällst, ohne jemals darüber nachzudenken, welche Konsequenzen das für dich und dein Leben haben könnte.

Was ich dir mit diesem Blogartikel sagen will, ist das Folgende: Versuche nicht, viele Freunde zu haben. Überzeuge nicht so viele Menschen wie möglich. Finde heraus, wer du bist und wer du sein willst. Finde heraus, was du vom Leben willst. Finde heraus, was du für richtig hältst und was nicht. Und sobald du Antworten auf all diese Fragen hast, wird es Zeit, dein wahres Ich deinen Mitmenschen zu zeigen. Viele werden es ablehnen. Du wirst es nicht vielen Leuten recht machen. Du wirst dich nicht immer beliebt machen. Aber früher oder später wirst du ganz besondere Persönlichkeiten kennenlernen, die genauso denken und fühlen wie du. Du wirst Freundschaften von einer Güte und Qualität schließen, die du jetzt vielleicht nicht für möglich halten würdest.

Wahre Freundschaft beginnt in uns selbst. Erst, wenn wir uns selbst erkennen, akzeptieren und wertschätzen, ermöglichen wir auch anderen, das Besondere in uns zu sehen.

Lasst uns aufhören, es anderen recht zu machen. Lasst uns aufhören, sozialen Status zu jagen. Lasst uns aufhören, so viele Menschen wie möglich überzeugen zu wollen. Lasst uns stattdessen anfangen, uns selbst zu überzeugen. Dort beginnt all das Gute, das wir uns nur wünschen können.

Viel Erfolg dabei!

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Annie Spratt

13 Kommentare, sei der nächste!

  1. So weise und inspirierende Worte!
    Es ist schön, dass es dich gib.
    Danke Michael für deine Begeisterung Menschen zu unterstützen sich selbst zu helfen 🙏🏻

  2. Hallo Michael,

    der Blogartikel kommt gerade zur richtigen Zeit und hat mich weiter zum Nachdenken gebracht, da mich das Thema Freundschaft gerade beschäftigt. Sehr aufschlussreich. Hoffe ich kann dies auch umsetzen 🙂
    Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass es einfach ist vielen zu Gefallen und ja es kommt der Punkt wo man sich verbiegt, vielleicht um gewisse Freundschaften nicht zu verlieren aber zu welchem Preis..
    viele liebe Grüße Anja

  3. Hallo Michael,

    Vielen Dank für die tollen Worte.Jedesmal wenn ich einen Blogartikel von dir lese, fühle ich mich besser.
    Vielen Dank dafür

    lg Judith

  4. Wieder einmal ein super Artikel von dir, lieber Michael. Ich fühle mich immer so angesprochen und verstanden, wenn ich deine Worte lese und auch heute haben deine Worte mich sehr berührt. dafür danke ich dir! Mach bitte weiter so und bleib gesund.

    Deine treue Leserin
    Luisa

  5. Lieber Michael
    Es ist richtig unheimlich das heute zu lesen. Genau das ist gerade mein Thema. Mir wurde gerade geraten eine Entscheidung zu treffen. Nämlich dass ich mich für mich entscheide. Dann würde sich vieles von selbst erledigen und die Idee es anderen rectmachen zu wollen, ist dann eher gering. Kann ich mich einfach entscheiden? Wie kann das gehen? Viel zum nachdenken. Vielen Dank dafür. Bleib gesund und hab ein schönes Wochenende
    Elke

  6. Wow, hat mich sehr berührt. Ich habe gleich daran gedacht, authentisch zu sein. Der Wunsch, das wahre Ich leben zu können, kommt glaube ich automatisch, je älter man wird.
    Ich kann mich glücklich schätzen, „echte Freundschaften“ zu haben.
    Danke für deine wundervollen Zeilen!

    Liebe Grüße
    Petra

  7. Lieber Michael,

    Ich verfolge dich schon ein paar Jahre…seit ich richtig krank war. Weil Du selbst betroffen warst, kannst Du vieles gut nachvollziehen.
    Ich hatte noch nie viele Freunde oder einen großen Freundeskreis, als ich dein heutiges Thema gelesen habe, dacht ich…klar, wie denn auch…ich bin gnadenlos ehrlich, schon immer, erst jetzt im Alter gibt’s Situationen da sag ich auch mal nix und schlucks runter.
    Aber meine Freunde sind auch in der Krankheit voll hinter mir gestanden, während andere meinten, stell dich nicht so an, das bildet du dir alles ein.

    Danke auch Dir Michael

    GlG

    Claudia

  8. Hallo Michael, was für ein tiefgründiger Artikel .
    Und genau das beschäftigt mich seit Mitte Juni.
    Es gibt Situationen im Leben, da trennt sich die Spreu vom Weizen. Da zeigt sich, wer wirklich dein Freund ist. Und es gibt Menschen in deinem Umfeld, von denen du keine Hilfe erwartet hättest.
    Und dann der Schmerz, wenn dich dein allerbester Freund in Stich lässt. Schlimm sind die Menschen, die dir Freundschaft vorgaukeln aber dich nur benutzen.
    Hab Dank für deinen Denkanstoß.
    Liebe Grüße aus dem Norden
    Margret

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