Gute Frage…
Ich werde hier keine Studie anführen müssen, um guten Gewissens behaupten zu können, dass die meisten Menschen Angst davor haben, alleine zu sein. Wir alle wissen, dass es so ist. Vermutlich deshalb, weil wir selbst so empfinden oder lange Phasen unseres eigenen Lebens durchgemacht haben, in denen wir an anderen festgehalten haben.
Falls dies der Fall ist, dann weißt du auch, dass wir einen hohen Preis dafür zahlen. Die Angst davor, andere zu verlieren, führt dazu, dass wir uns anpassen. Wir machen Kompromisse. Manchmal lassen wir uns auf eine Art und Weise behandeln, die uns im Grunde genommen nicht guttut. Es kann auch bedeuten, an sozialen und gesellschaftlichen Verpflichtungen teilzunehmen, auf die wir eigentlich keine Lust haben. Und genauso führt es dazu, dass wir „ja“ sagen, obwohl alles in uns danach verlangt, laut „nein“ zu schreien. Warum das alles? Wie gesagt: Wir wollen nicht das Privileg der Gesellschaft unserer Mitmenschen verlieren.
Sehr häufig höre ich Aussagen, wie:
- „Wenn ich einfach nur ich wäre, würde ich irgendwann ganz alleine dastehen.“
- „Man muss sich halt auch mal was gefallen lassen.“
- „Wenn ich immer sagen würde, was ich wirklich denke, würde mir jeder den Rücken kehren.“
Mal ganz unter uns: Ich kann diese Aussagen nicht gutheißen, aber ich verstehe sie. Ich respektiere sie. Weil ich weiß, dass dies für die allermeisten Menschen die Wahrheit ist. Die meisten Personen befinden sich in einem Umfeld, in dem ihre wahre Persönlichkeit nicht akzeptiert wird, ihre Grenzen überschritten und ihre Meinungen nicht akzeptiert werden.
Im Laufe der Zeit entsteht in uns der Irrglaube, das alles sei normal. Wir denken, das gehöre nun einmal zu einem florierenden Sozialleben dazu. Dies ist jedoch nicht der einzige Irrglaube, der sich in unserer Gedankenwelt breitmacht. Ein weiterer lautet, dass selbstbewusste Menschen ihren Lebensweg alleine gehen müssen. Denn: Wer wirklich so ist, wie er ist und seine Meinung sagt, der wird von allen verlassen. So zumindest ist der Eindruck, der bei vielen entsteht.
Nicht umsonst also ist in unserer Gesellschaft das Bild vom selbstbewussten Menschen als einsamer Wolf entstanden. Der klassische Einzelkämpfer, der sich zurückzieht, sich nur noch mit sich selbst beschäftigt und vollkommen zu sich steht, auch wenn das bedeutet, den Weg des Lebens völlig allein gehen zu müssen.
Was für ein Käse.
Brauchen wir andere?
Um es kurz und einfach zu machen: Ja, wir brauchen andere. Der Mensch ist seit jeher ein soziales Wesen.
ABER das heißt nicht, dass wir alles nehmen sollten, was wir bekommen können, nur um nicht alleine zu sein. Erst recht nicht, wenn wir dafür die falschen Kompromisse machen müssen.
Man kann sehr wohl selbstbewusst sein und die „richtigen Freunde“ haben. Genau genommen kann man sogar nur echte und „wahre“ Freunde haben, wenn man selbstbewusst ist. Denn nur, wenn wir nach außen ausstrahlen, wer wir wirklich sind und wie wir wirklich denken, können uns jene finden, die uns akzeptieren und respektieren. Logisch, oder?
Wenn du einfach du bist und feststellen musst, dass alle um dich herum fliehen, dann ist die Wahrheit nicht, dass du den Mund halten solltest. Die Wahrheit ist, dass dein Umfeld nicht richtig für dich ist.
Wir sollten können, aber nicht müssen
Ein selbstbewusster Mensch sollte ohne andere klarkommen können, wenn es sein muss. Vor allem in der Phase der Selbstfindung ist dies häufig der Fall. Es ist eine Phase, in der wir uns zurückziehen und uns fragen, wer wir wirklich sind. Dabei ist es völlig normal, sich dem Einfluss anderer zu entziehen und in sich selbst nach Antworten zu suchen.
Außerdem kann es nicht schaden, gut mit sich selbst klarzukommen. In Vorträgen pflege ich zu sagen: „Würde mich jemand in der Wüste aussetzen, wäre ich froh darüber, alleine klarzukommen. Wenn ich es mir aussuchen kann, bin ich jedoch immer lieber von Menschen umringt, die mir am Herzen liegen.“
Mit dem Selbstbewusstsein ist es nicht anders. Wir sollten in der Lage sein, ohne die Gesellschaft, Bestätigung und Unterstützung anderer auszukommen. Dies sollte jedoch kein Lebensstil sein, sondern eine wichtige Fähigkeit für harte Zeiten, in denen es darauf ankommt.
Im Grunde genommen möchte ich dir mit all diesen Worten sagen: Verbiege dich nicht für andere, aber glaube auch bitte nicht diesen unerhörten Unsinn, man könne als selbstbewusster Mensch nicht mit anderen befreundet sein.
Wir Menschen brauchen einander. Und erst recht brauchen wir Gleichgesinnte, die uns verstehen, respektieren und akzeptieren. Und zwar so, wie wir sind!
In der Hoffnung, den ein oder anderen inspirierenden Gedanken in die Welt hinauszusenden, wünsche ich dir ein wunderschönes Wochenende.
Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael
Titelbild: Unsplash.com, Noah Silliman
Wie immer ein sehr Guter Blogartikel.
Danke dir.
Viele Grüße
Alexander
Ich danke dir, Alexander!
Danke für deine Worte, Michael! In meinen Augen ist das ein sehr spannendes und wichtiges Thema, das vermutlich uns alle ab und zu beschäftigt. Für mich ist es gerade sehr aktuell und durch deinen Artikel habe ich neue Perspektiven darauf gewonnen die mir in meiner Situation helfen. Er kommt für mich also wie gerufen 🙂 Vielen Dank dafür!
Liebe Grüße und ein schönes Wochenende dir.
Andrea
Das freut mich sehr, liebe Andrea. Schön, dass meine Worte ein paar Perspektiven eröffnen konnten 🙂
Ich wünsche dir ebenfalls ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Michael
Allein oder nicht allein wird fast immer mit dem Begriff ‚Freunde‘ in Verbindung gebracht.
Ist man allein, wenn man (phasenweise) keine Freunde hat und „nur“ die Familie?
Ich hatte immer viele gute Freunde, bis ich dann Mutter eines behinderten Kindes wurde. Da änderte sich alles schlagartig, was mich sehr verletzte. Meine Freunde und sogar meine eigenen Eltern hatten mehr Probleme damit als ich selber und ließen mich und meine eigene kleine Familie im Stich. Das war hart, aber genau dieser Schmerz wandelte sich im Laufe der Jahre zu neuem Selbstbewusstsein, denn ich musste stark sein, für meine Kinder und meinen Mann. Ich nahm mir ab und an kleine Auszeiten, fuhr irgendwo hin, ganz allein und das waren meine besten Momente, da sammelte ich Kraft in der Natur, ganz ohne Freunde, ohne irgendwelche Meinungen oder sonst irgendwas, nur mit mir selbst. Heute bin ich froh, Zeit nur für mich und meine kleine süße Familie zu haben. Vielleicht kommt irgendwann das Gefühl zurück Freunde in meinem Leben zu ‚brauchen‘, aber ich fühle mich jetzt ohne diese nicht allein, ich bin mit meinem Leben im reinen und glücklich und falls ich doch noch mal wieder Freunde haben werde, werde ich darauf achten, dass es die richtigen sind.
Ich danke dir für diesen wunderbaren Einblick in deine Erfahrungen. Du lieferst ein hervorragendes Praxisbeispiel für das, was ich mit dem Artikel sagen wollte: Es ist unglaublich wichtig, mit sich selbst im Reinen zu sein, solange man nicht die „richtigen“ Menschen um sich herum hat.
Das bedeutet jedoch nicht, den Anspruch auf wahre Freundschaft und Akzeptanz fallen zu lassen, sondern weiterhin offen dafür zu sein, bis es endlich passiert.
Zu viele Menschen haben nicht die Kraft dazu und gehen die falschen Kompromisse ein, um nicht alleine zu sein. Ich freue mich für dich!
Liebe Grüße
Michael
Guter Artikel—-kommt auch auf die definition an bzw wie man es deutet….selbstbewußt (meist negativ betitelt) oder sich selbst bewußt sein…….und es ist so…..selbst-bewußte-Leute sind oft die sonderbaren, komischen und gegen den Strom schwimmend…….Man merkt es ja auch immer wieder im Alltag, ist man nicht massen-Meinungs-Konform ist man abgestempelt………egal…ich habe ja nicht gelernt zu gehen um vor anderen zu kriechen.
Hallo Frank, da bin ich ganz bei dir! Die Gesellschaft drängt uns sehr stark dazu, uns anzupassen. Wer selbstbewusst ist (im wahrsten Sinne!) und sich nicht in eine Schublade drücken lässt, wird nicht bewundert, sondern ausgegrenzt. Sehr schade.
Deshalb bewundere ich jeden, der die Stärke hat, zu sich selbst zu stehen.
Ich wünsche dir ein schönes Wochenende!
Liebe Grüße
Michael
Wieder mal ein hervorragender Blogartikel..Danke Michael.
Ich habe mich in diesem Jahr von den für mich nicht richtigen Freunden getrennt, endlich.
Und es tut mir so gut.
Ich habe noch gute Freunde, bin aber auch sehr gerne mit mir alleine.
Jetzt bin ich viel vorsichtiger geworden und das ist gut so.
Habt alle ein schönes Wochenende.
Liebe Grüße aus dem Norden
Margret
Liebe Margret,
ich freue mich für dich, dass du die Kraft gefunden hast, das loszulassen, was dich heruntergezogen hat. Ein sehr mutiger Schritt, der viel Kraft kostet.
Weiterhin viel Kraft und danke für deine Wertschätzung.
Liebe Grüße
Michael
Gerade habe ich mit einer Freundin was klären müssen. Ich habe eine (unüberlegte) Zusage zurücknehmen müssen. Es hat sich nicht richtig angefühlt, dazu „Ja“ zu sagen und ich hatte Ängste, ob und wie unsere Freundschaft das übersteht. Hatte Angst, danach „alleine“, also ohne diese Freundin da zu stehen. Dabei ist es eine wirklich gute Freundin. Dann habe ich mir gesagt, dass die Freundschaft das aushalten muss. Es hat sich zum Glück alles zum Guten gewendet; die Umstände haben sich entsprechend geändert. Das Universum sorgt manchmal auf ganz wunderbare Weise für uns.
Lieber Michael, danke für deinen Artikel und die Gedanken, die ich nur allzu gut nachvollziehen kann. Was dich besonders macht, sind deine Reaktionen auf unsere Rückmeldungen. Danke, dass du uns so wertschätzt und in Kommunikation mit uns gehst!
Alles Liebe, Petra
Jetzt habe ich ein furchtbar schlechtes Gewissen… da lobst du mich für meine Kommunikation mit den Leserinnen und Lesern, und ich antworte erst so spät. Bitte entschuldige.
Und vielen Dank für deine Wertschätzung!
Was deine kürzlich gemachte Erfahrung betrifft, kann ich dir nur zustimmen. Eine Freundschaft muss das aushalten können. Eine Freundschaft muss aushalten können, dass nicht immer alles optimal sein kann. Es freut mich sehr für dich, dass die Sache sich positiv entwickelt hat.
Liebe Grüße
Michael