Die großen Lügen von Wohlstand, Status und Freiheit

Wohlstand

Einer muss es ja mal ansprechen…

Durch meine Tätigkeit als Coach und Berater lerne ich viele Menschen kennen. Dazu gehören auch immer mal wieder sehr erfolgreiche Leute, die Berufe in hohen Verantwortungspositionen ausüben. Im Laufe der Jahre haben viele dieser erfolgreichen Personen mir eine Frage gestellt. Im Grunde genommen ist es immer wieder dieselbe Frage, nur jeweils anders formuliert. Sie lautet: „Warum bin ich nicht glücklich, obwohl ich doch so erfolgreich bin?“

Eine sehr gute Frage, wie ich finde. So gut, dass ich ihr diesen Blogartikel widmen möchte.

 

Wohlstand: Die Lösung aller Probleme?

Ich bin dankbar dafür, dass ich meine eigenen Erfahrungen mit Wohlstand und den damit einhergehenden Missverständnissen schon früh im Leben machen durfte. In der Mitte meiner Zwanziger hatte ich meine ersten kommerziellen Erfolge als Unternehmer und Buchautor. Wenige Monate zuvor noch hatte ich mit existenziellen Sorgen zu kämpfen gehabt. Damals wusste ich schlicht und einfach nicht, wie ich über die Runden kommen sollte. Und plötzlich, nur wenige Monate später, strömte mehr Geld in meine Brieftasche, als ich je zuvor besessen hatte.

Bitte versteh mich nicht falsch: Ich war zu keinem Zeitpunkt ein Superreicher mit einer Yacht in Monaco. Aber vom überzogenen Girokonto auf ein sechsstelliges Jahreseinkommen zu gehen, war für mich ein enormer Sprung. Ich dachte, all meine Probleme seien nun gelöst und es könne nur noch bergauf gehen. Und natürlich – du ahnst es bereits – ließ ich es mir gut gehen. Nach all den Strapazen, die hinter mir lagen, hatte ich das Bedürfnis, mich zu belohnen.

So dauerte es nicht lange, bis ich ein schickes Zuhause und ein teures Auto hatte. Ich ging mehrere Male pro Woche auswärts essen. Rückblickend betrachtet finde ich es lustig, dass ich mir keinerlei Kleidung oder Schmuck kaufte. Das war mir absolut nicht wichtig. Aber dafür gab ich umso mehr Geld für technisches Equipment aus, um meine berufliche Zukunft zu sichern.

Wer meine Geschichte kennt, weiß bereits in etwa, was jetzt kommt: Ich fiel in ein Loch, weil ich feststellen musste, dass die neuen finanziellen Möglichkeiten kaum eines meiner Probleme lösten. Klar, ich hatte nun keine Angst mehr, meine Miete nicht zahlen zu können, aber ansonsten war alles wie zuvor. Vielleicht sogar ein wenig schlimmer.
Ein Satz, den ich häufig äußere, lautet: In einem Porsche zu sitzen und vor Unglück zu weinen, fühlt sich mindestens genauso mies an wie in einem Kleinwagen zu sitzen und zu weinen.
Ebenfalls wurde mir bewusst: Was bringt es dir, ein großes Zuhause zu haben, wenn es leer ist und du nicht gerne dort bist, weil du mit der Einsamkeit nicht umgehen kannst?

Mir wurde klar, dass eine kranke Pflanze eine kranke Pflanze ist. Es ist egal, ob sie unter einer Brücke steht oder in einem goldenen Palast. Eine kranke Pflanze heilt man nicht, indem man etwas Geld auf sie wirft. Man heilt sie, indem man ihr Liebe und Pflege gibt. Dies sind beides Dinge, die Geld nicht kaufen kann.

Wohlstand kann einen Menschen nicht glücklich machen oder heilen. Er kann lediglich eine Situation um uns herum verbessern. Er KANN Sicherheit bedeuten (sofern er nicht noch mehr Existenzdruck auslöst), und er kann auch ziemlich Spaß machen, das muss ich zugeben. Es ist wichtig, die richtige Erwartungshaltung zu haben. Zu viele von uns erwarten, in einem ambitionierten Leben alles Glück der Erde zu finden. Angesichts dessen ist eine Enttäuschung vorprogrammiert…

 

Der Lüge auf den Leim gegangen

Zurück zum Anfang! In meinem Alltag treffe ich also wunderbare, fleißige und höchst ambitionierte Personen, die Bewundernswertes geleistet haben, um erfolgreich zu sein. Sie blicken stolz auf bemerkenswerte Karrieren und beachtliche Meilensteine in ihren jeweiligen Fachgebieten zurück. Ich weiß das zu respektieren. Aber ich weiß auch, welchen Tribut dieser Erfolg fordert.

Um es liebevoll und diplomatisch auszudrücken: In meinem Berufsalltag sehe ich viele erschöpfte Pflanzen, die an wunderschönen Orten stehen und sich fragen, warum sie nicht blühen, obwohl sie doch an einen Ort gegangen sind, wo die Sonne scheint.
Es ist meine Aufgabe, ihnen dabei zu helfen, wieder aufzublühen.

Nun müssen wir uns die Frage stellen, WARUM wir das tun. WARUM investieren wir alles, was wir haben, um ein Leben in Wohlstand aufzubauen?

Weil uns gesagt wird, dass wir es tun sollen. Weil das Schulsystem uns dazu erzieht. Weil Konsum in unserer Gesellschaft geradezu heilig ist. Weil wir in einer Welt leben, in der materieller Besitz beeindruckender ist als die Eigenschaften, die wir im Herzen tragen. Weil uns suggeriert wird, dass wohlhabende Menschen „besser“ sind und mehr Ansehen genießen. Weil Freiheit ein Gut ist, das nicht selbstverständlich ist. Also lassen wir uns auf ein Glücksspiel ein: Wir geben einen Teil unserer Freiheit auf, um zu arbeiten, und hoffen, uns dabei noch mehr Freiheit verdienen zu können. Ein gefährliches Spiel, wie ich finde.

Manchmal frage ich mich, wie die Welt wohl aussähe, wenn man Persönlichkeitsentwicklung, soziales Miteinander und Selbstfürsorge in Schulen unterrichten würde. Ob wir dann wohl immer noch so viel opfern würden, um die Illusion des Erfolges zu jagen?

 

Das Missverständnis vermeiden

Um Missverständnissen vorzubeugen, möchte ich eine Sache klar betonen: Ich halte Wohlstand nicht für eine schlechte Sache. Ich verurteile ihn nicht, sondern strebe weiterhin selbst danach. Für mich gibt es jedoch ein paar sehr wichtige Gedanken, die man berücksichtigen sollte:

1. Wohlstand darf nicht um jeden Preis erlangt werden. Es gibt Prioritäten, die höher sein sollten.

2. Uns sollte bewusst sein, dass das, was Wohlstand für uns tun kann, Grenzen hat.

3. Wer hart am Erfolg arbeitet, sollte mindestens genauso hart an sich, seiner Gesundheit und seiner Persönlichkeitsentwicklung arbeiten. Sonst bringt auch der größte Erfolg nichts.

 

Zum Schluss möchte ich noch einmal zurück zum Anfang. Man stellt mir also die Frage: „Warum bin ich nicht glücklich, obwohl ich doch so erfolgreich bin?“
Die simple Antwort darauf lautet: Weil Erfolg, Status und Geld zwar toll sind, aber längst nicht alles, was einen Menschen glücklich macht. Wenn wir alles andere auf der Strecke lassen, um Erfolg zu jagen, fällt uns erst später auf, was wir verpasst haben.

In der Hoffnung, den ein oder anderen inspirierenden Gedanken in die Welt hinausgesendet zu haben, verabschiede ich mich ins Wochenende.

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

 

Titelbild: Unsplash.com, Simon Berger

16 Kommentare, sei der nächste!

  1. Hallo Michael , ich habe jetzt angefangen alle deine Beiträge nochmals zu lesen um sie mir wieder ins Gedächtnis zu bringen. Ich finde sie so gut dass ich es öfter tun sollte.
    Weiter so! Viele Grüße Bernd

    ( ich warte schon gespannt auf dein neues Buch)

    1. Jetzt hast du mich zum Lachen gebracht 🙂
      Neulich sagte mir eine Lektorin, ich würde das Wort „Menschen“ zu oft verwenden, was sicherlich daran läge, dass ich selbst so ein „Vollblutmensch“ sei.
      Also nehme ich mir vor, ab und zu auch mal „Leute“ oder „Personen“ einzustreuen – und zack – da fällt es bereits jemandem auf. Herrlich.

      Aber ernsthaft: Alles nur eine Frage der Terminologie. Personen sind Menschen. Menschen sind Personen. Ich bezweifle, dass wir jemandem die Menschlichkeit absprechen, wenn wir eine Person daraus machen 😉

      Unabhängig davon danke ich dir sehr für dein aufmerksames Feedback! Hab ein schönes Wochenende.

      Liebe Grüße
      Michael

  2. Wow, wieder sehr schöne Worte , die viele Menschen nicht ernst nehmen, obwohl man sie warnt.
    Dadurch auch der ein oder andere Mensch aus dessen Leben geht.
    Schönes Wochenende
    Heike

  3. Sehr schöner Text, toll geschrieben!
    Und ob da Personen oder Menschen steht, mein Gott, jeder weiß doch, was gemeint ist. Es geht doch um den Inhalt. Eine Person ist ein Mensch, ein Mensch ist eine Person. Vielleicht wäre das auch mal ein Thema wert, darüber zu reden, warum die Personen bzw. Menschen, Leute… in der heutigen Zeit wirklich alles hinterfragen, man sich jedes Wort überlegen muss, aufpassen zu müssen, bloß keine * zu vergessen, etc., jemand könnte sich ja wieder verletzt und übergangen fühlen. Darf man eigentlich noch frei reden, frei schreiben, frei denken!?! Diese Welt hat soviele andere Baustellen. Wir sind verweichlicht geworden und kümmern uns um Kleinigkeiten, über die man einfach mal hinweg sehen könnte. Sorry, musste jetzt mal raus.
    Lieber Michael, Danke für deine vielen tollen Blogartikel, mit wunderbaren Inhalten.

    1. Ich danke dir für deinen Zuspruch und deine Wertschätzung!
      Da gibt es nichts, wofür du dich entschuldigen müsstest. Ich teile viele deiner Ansichten. Wir sind so sehr auf Details, Kleinigkeiten und politische Korrektheit fokussiert, dass wir das große Ganze aus den Augen verlieren.

      Es stört mich nicht, konstruktive Kritik zu erhalten und hier ist jede Meinung willkommen. Ich persönlich habe jedoch gelernt, mich nicht an Kleinigkeiten aufzuhalten, weil ich sonst nicht mehr schaffen würde, was ich schaffen muss 🙂 Insofern verstehe ich deine Gedanken sehr gut.

      Liebe Grüße
      Michael

  4. Hallo lieber Michael du hast mich heute wieder sehr nachdenklich gemacht. Für mich war in jungen Jahren Geld und alles was damit zu tun hat auch sehr wichtig. Heute bin ich in einem Alter hab Geld ,
    aber nicht mehr die Gesundheit um noch wirklich alles zu machen was ich früher wollte.
    Also ist es wichtig die Dinge im Leben zu machen!
    Es könnte sonst einfach nicht mehr gehen.
    Ich danke dir und wünsche dir ein tolles Leben.
    Liebe Grüße Susanna

  5. Danke für den Blogartikel 🙂

    Dass wäre eine absolute Traumvorstellung wenn Persönlichkeitsentwicklung, soziales Miteinander und Selbstfürsorge in Schulen unterrichten werden würde. Zusätzlich noch Gesundheit, Psychologie und Finanzmanagement. Wir hätten keinen Neid, Hass, Manipulation, Krieg,…und es würde die Gesellschaft positiv verändern. Ein Miteinander statt Gegeneinander. Im Sinne von Viktor Frankl-die negative Kette durchbrechen. Warum das Schulsystem veraltet bleibt: dass wir uns schön kaputt arbeiten, keine Rente bekommen und Unsinniges für den Erhalt der Wirtschaft konsumieren.
    Wer nur konsumiert,vorallem was er nicht braucht, ist meiner Meinung nach komplett unglücklich.

    Ich finde, wie du eben im Punkt 3. erwähnt hast, dass Erfolg erst dann glücklich macht, wenn man selbstreflektiert ist und unkäufliche Dinge wie Liebe, echte Freundschaft,…bereits besitzt.

    Jedoch löst ein Eigentum schon sehr viele Probleme: hohe Mietkosten die monatlich anfallen und nie in Eigentum fließen, psychische Belastung durch toxische Vermieter, (lästige Nachbarn),…Es ist Freiheit in Ruhe zu leben und eventuell einen Garten zum Haus zu besitzen.
    Klar im besten Fall wohnt man mit Menschen darin die einem gut tun und lieben und nicht alleine.
    Viele arbeiten sich kaputt um sich eben dieses Eigentum leisten zu können. Anders gesehen wieder alles gesellschaftlich vorgelebte Fallen um einen lebenslang arbeiten zu lassen: Geld für Schule, Ausbildung, (Hochzeit), Kinder, Eigenheim,…

    Jeder muss für sich herausfinden was zu einem passt und was nicht, wo alles bei der Selbstreflexion und Persönlichkeitsentwicklung startet.🙂
    Ist jeder Einzelne zufrieden mit sich selbst würde viel Leid verhindert werden und ein freundlicheres, faireres Miteinander herrschen-dass vor allem in Zeiten wie diesen so dringend benötigt werden würde.

    Den Sinn hinter dem ganzen System zu hinterfragen, führt jedenfalls zu spannenden, eher positiven Entwicklungen.

  6. Ein sehr spannendes Thema, das mal wieder zum Nachdenken anregt. Danke für deine inspirierenden Worte, lieber Michael! Wie immer ein sehr lesenswerter Beitrag 🙂

    Viele Grüße
    Luisa

  7. Deine Artikel sind so perfekt zur Selbstreflektion. Es ist so wichtig nicht nur nach Geld, Anerkennung und Reichtum zu streben, sondern das Leben auch in den vermeintlich kleinen Dingen zu genießen. Liebe Grüße und danke 🍀🫶, Gabi

  8. Lieber Michael,

    ich folge dir schon so lange, lese deine Bücher bzw. höre deine Hörbücher etc. In den meisten Fälle bin ich immer nur am Nicken :D, wenn ich deinen Gedankengängen folge.
    Allerdings ist es mir ein Anliegen heute mal ein bisschen freundliche Kritik zu üben.
    Du schreibst:

    „Manchmal frage ich mich, wie die Welt wohl aussähe, wenn man Persönlichkeitsentwicklung, soziales Miteinander und Selbstfürsorge in Schulen unterrichten würde.“

    Solche und ähnliche Sätze höre und lese ich immer häufiger und sie stoßen bei mir nicht völlig auf Widerstand, jedoch frage ich mich zunehmend, was Schule noch alles leisten soll und/oder welche Konzepte von Seiten der Lehrkräfte noch erarbeitet werden sollen (!?). Ich selbst bin Lehrerin und habe ständig mit Neuerungen zu tun. Das gehört zu meinem Beruf dazu, allerdings wächst es „einem“ so langsam über den Kopf – um ehrlich zu sein.
    Ich finde es wichtig und richtig, auch die Eltern und Erziehungsberechtigten wieder zunehmend in die Pflicht zu nehmen! Erste Sozialisationsinstanz ist nun einmal das Elternhaus! Hier wird die Basis gelegt🤷🏻‍♀️
    Das was du beschreibst kann und darf bereits in den Elternhäusern als Grundstein gelegt werden, Schule könnte dies dann unterstützen und mitvorantreiben. Aber es kann nicht die alleinige Aufgabe der Bildungseinrichtungen sein.

    Herzliche Grüße

    Kathrin

    1. Liebe Kathrin … Schule in der heutigen Form könnte das unmöglich leisten, und niemand könnte so etwas ernsthaft von Lehrkräften im heutigen System verlangen! Die Aussage von Michael ist dennoch richtig: Es wäre exzellent, so etwas in der Schule zu lehren – natürlich in einem Schulsystem, welches den Menschen in den Mittelpunkt stellt (also nicht in diesem).

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