Du bist gut genug.

Für alle, die diesbezüglich noch ihre Zweifel haben…

Wenn wir uns mit dem Thema „Selbstwertgefühl“ beschäftigen, kommen wir früher oder später zu der Erkenntnis, dass unser Selbstbild sehr stark davon abhängt, wie „gut“ oder „wertvoll“ wir uns finden. Logisch, oder? Da stellen sich doch automatisch ein paar neue Fragen:

  • Warum glaube ich, nicht gut zu sein?
  • Was bedeutet es überhaupt, gut oder „gut genug“ zu sein?
  • Was muss ich tun, um „gut genug“ zu werden?

Diese Fragen lassen sich innerhalb weniger Sekunden aussprechen oder aufschreiben, doch es dauert manchmal Jahre, um vernünftige Antworten darauf zu finden. Darüber hinaus verändern sich die möglichen Antworten im Laufe eines Lebens immer wieder.

In meinen Coachings begegne ich dieser Thematik regelmäßig. Und immer wieder sitzt mir ein Mensch gegenüber, der das Gefühl hat, nicht „gut genug“ zu sein. Wie löst man dieses Problem? Indem man seinem Gegenüber nett zuredet? Indem man behauptet, wir seien alle leuchtende Sternenwesen, die unendliche Liebe in sich finden? Vielleicht. Aber ich habe da eine Methode, die sich für mich schon viel öfter bewährt hat: Ich hinterfrage einfach das ganze Konzept des „Gut-Genug-Seins“!

 

Wann ist „gut“ eigentlich „gut genug“?

Warum glauben so viele von uns, nicht gut genug zu sein? Woher kommt diese Annahme? Bei genauerer Betrachtung stellen wir fest, dass wir meist diesem Irrglauben unterliegen, weil uns irgendjemand in unserer Vergangenheit dieses Gefühl vermittelt hat. Das können unsere Eltern gewesen sein, manchmal auch ein Chef oder vielleicht auch jemand, mit dem wir mal in einer Beziehung waren.

Von unserer Geburt an ist es uns ein Anliegen, anderen zu gefallen. Das müssen wir sogar, denn schließlich sind wir als Kleinkinder von der Gunst unserer Mitmenschen abhängig. Wir lernen, welches Verhalten uns ihr Wohlwollen einbringt und mit welchem Benehmen wir uns nur Ärger einhandeln. Mit der Zeit passen wir uns entsprechend an.
Als Kinder schauen wir zu unseren Eltern auf und wollen von ihnen geliebt, bewundert und respektiert werden. Es gibt Eltern, die sehr großzügig mit ihrer Liebe umgehen. Allerdings gibt es auch viele Eltern, deren Aufmerksamkeit und Liebe man sich hart erkämpfen muss. Man muss „gut genug“ sein, um sie für sich zu begeistern.

Diese Erfahrung ist etwas, was viele von uns ihr ganzes Leben lang begleitet. Es ist die Erinnerung daran, nie etwas „richtig“ gemacht zu haben und nie „gut genug“ gewesen zu sein, egal wie viel Mühe man sich auch gegeben hat. Falls du diese Erfahrung niemals gemacht hast, dann freue ich mich aufrichtig für dich und empfehle dir, den Blogartikel nicht weiter zu verfolgen. Der nächste wird bestimmt wieder thematisch passender.
Falls du jedoch weißt, wovon ich hier spreche, dann pass jetzt bitte gut auf.

Was ist, wenn der Wunsch „gut genug“ zu sein unfair ist, weil du niemals gut genug sein konntest? Was ist, wenn das Unterfangen von Anfang an unmöglich war und du ein Gespenst jagst, das es nicht gibt? Lass mich das bitte anhand eines kleinen Beispiels erklären.

 

Wenn man einfach nicht „gut genug“ sein kann

Stell dir bitte eine Frau in ihren Vierzigern vor. Sie ist verheiratet, Mutter von zwei Töchtern und berufstätig. Mit ihrer Ehe ist sie unzufrieden, ihren Job macht sie nicht gerne und die Verantwortung gegenüber ihren Töchtern überfordert sie. Diese insgesamte Unzufriedenheit merkt man ihr an. Sie ist schlicht und einfach unglücklich, und weil sie am Ende des Tages nur ein Mensch ist, lässt sie ihren Frust auch mal an anderen ab, zum Beispiel an ihren Kindern.
Die beiden Töchtern projizieren das auf sich und denken, ihre Mutter sei so unzufrieden, weil sie so schlechte Kinder seien. Sie bemühen sich um Besserung, um die Gunst ihrer Mutter wiederzuerlangen. Ein Vorhaben, das zum Scheitern verurteilt ist, denn die beiden können nichts an der Unzufriedenheit ihrer Mutter ändern.
Von hier an ist es sehr gut möglich, dass die Töchter sich selbst in Frage stellen und das Gefühl bekommen, die Schuld am Unglück der Mutter zu tragen. Sie bekommen das Gefühl, einfach nicht „gut genug“ zu sein, um das Problem zu lösen.

Ein weiterer Klassiker ist übrigens ein zu großes Ego der Eltern. In diesem Szenario schützen Eltern aufgrund ihrer eigenen seelischen Verletzungen ihr Ego und können nicht zulassen, dass ihr Kind in irgendeiner Weise besser dasteht als sie selbst. Die Folge ist, dass es egal ist, wie gut die Leistungen oder das Benehmen eines Kindes sind. Sie sind einfach nie gut genug. Simple Beispiele: Das Kind kommt mit guten Noten nach Hause, hat Erfolge in Vereinen oder engagiert sich für gewisse Projekte, erhält aber einfach keine Wertschätzung dafür. Welcher Eindruck entsteht wohl in diesem jungen Geist? Richtig! Das Gefühl, nicht „gut genug“ zu sein.

 

Es ist Zeit, den Maßstab zu wechseln

Das sind nur ein paar einfache von sehr, sehr vielen möglichen Beispielen, woher das Gefühl kommen kann, nicht gut genug zu sein. Vielleicht findest du dich darin wieder, vielleicht auch nicht. Möglicherweise kennst du das Gefühl, aber es wurde bei dir auf andere Weise ausgelöst. Das Prinzip bleibt jedoch dasselbe.

Wichtig für uns ist die folgende Erkenntnis: Es ist überaus gefährlich, sein Selbstwertgefühl davon abhängig zu machen, wie andere uns bewerten. Als Kinder haben wir keine andere Wahl, denn wir sind noch nicht reflektiert, erfahren und gebildet genug, um unser Selbstwertgefühl selbst zu bestimmen. Aber heute sind wir erwachsene Menschen, und somit haben wir auch die Möglichkeit, uns von der Bewertung anderer unabhängig zu machen und selbst zu bestimmen, wann wir „gut genug“ sind und wann nicht.

Du bist ein erwachsener, eigenständig denkender und selbstverantwortlicher Mensch. Der Maßstab, mit dem du dein Selbstwertgefühl bewertest, sollte von niemandem außer dir selbst kommen. Vergiss das bitte nie.

Falls ich dir einen guten Tipp aus meiner Erfahrung geben darf: Finde heraus, wer dir das Gefühl gegeben hat, nicht „gut genug“ gewesen zu sein. Dann denk darüber nach, ob diese Person jemals ihren eigenen Ansprüchen gerecht wurde. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Ergebnis dich erstaunen wird. Und nun stell dir die Frage: Warum solltest du es irgendjemandem recht machen, der es niemals sich selbst recht machen konnte? Es ergibt schlicht und einfach keinen Sinn.

Du bist gut genug. Genau jetzt, so wie du bist. Da bin ich mir ziemlich sicher. Lass dir nichts anderes einreden.

 

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, Jackson David

12 Kommentare, sei der nächste!

  1. Es tut so gut deine worte zu lesen, lieber Michael. Ich fühlte mich direkt angesprochen weil ich dieses Gefühl genau kenne. Seit vielen Jahren schon habe ich immer das Gefühl, nicht gut genug zu sein und setze mich damit ständig selbst unter Druck. Deine Worte geben mir gerade Hoffnung. Ich werde sie mir bestimmt noch das ein oder andere mal durchlesen und verinnerlichen. DANKE dafür.

    1. Liebe Silvia,

      herzlichen Dank für deine lieben und wertschätzenden Worte. Es bedeutet mir wirklich viel zu wissen, dass es Menschen wie dich gibt, die so viel Kraft in meiner Arbeit finde. Danke, dass du mir das sagst 🙂

      Liebe Grüße
      Michael

  2. Hallo, lieber Michael 🫶🙏🥰,

    erstmal bedanke ich mich, dass Du gestern bei Instagram kurz Live in der Story warst…Dein Lächeln tat so unendlich gut, dass selbst ich merkte, welche Wärme Dein Lächeln in mir hervorbrachte…Ich sah Dich und schon sagte ich mir: „der Michael hat schon soviele Hindernisse „überstanden“, er steht immer wieder auf und kämpft…“
    Mein „Überleben“ ist gerade sehr herausfordernd, die Berg-und Talfahrten extrem…da kam Dein Lächeln und jetzt dieser Blogeintrag genau richtig…
    Ich kenne es leider nicht anders, dass ich erst etwas leisten „muss“, damit mich jemand von Außen wahrnimmt…Ich habe mich verloren und kann mich einfach nicht selber lieben, wertschätzen, achten…die Frau, die mich geboren hat, sagte mir mit 4 Jahren ( als ich sie mal wieder betrunken abgeholt habe) : „Du warst eh nie gewollt und bist nur im Suff entstanden…“
    Dieser Satz nie gewollt zu sein, tut bis heute noch weh und ich ziehe auch nach wie vor solche Menschen an, die mir dieses Gefühl vermitteln/sagen/zeigen…also tu ich nach wie vor etwas, um denen zu beweisen, dass ich ein liebenswerter, herzlicher Mensch bin, den man achten und wertschätzen kann…doch jedesmal bereue ich es, dass ich meinen „Wert“ beweisen muss und es tut mir nicht gut…finde da keinen wirklichen, langfristigen Weg aus diesem Kreislauf…Deine Fragen sind gut, mit den kann ich arbeiten und der Gedanke gefällt mir, dieses für mich schrittweise umzusetzen und anzuwenden. Dankeschön 🙏 von ganzem Herzen 🥰 für Deine wertvolle (kostenlose) Zeit und Arbeit hier in Deinem Blog. Danke für Dein Sein 🙏🫶
    Herzliche Grüße von Mandy

    1. Hallo Mandy,
      bei mir war es ähnlich nur nicht ganz so krass wie bei dir.
      Auch ich hatte das Gefühl nicht gewollt zu sein, es wurde zwar nicht wie bei Dir gesagt, aber es schwebte irgendwie in der Luft.
      Ich versuchte und versuche es immer noch ab und zu durch Leistung, Hilfsbereitschaft und viel Geben die Leute in meinem Umfeld und Berufsalltag für mich zu gewinnen.
      Doch es endet immer so, wenn ich nicht mehr so Spure oder Gebe wie die anderen wollen, werde ich fallengelassenes wie eine heiße Kartoffel.
      Dies nur als Beispiel, man sollte sich selbst nicht verbiegen und verraten, da dies meistens nichts bringt, die anderen danken es einem selten.
      Grüßle
      Uwe

  3. Hallo Michael,
    mal wieder der passende Artikel zur richtigen Zeit.
    Dankeschön 🙏👍
    Auch mir erging es so, dass alles was ich tat nicht gut genug war.
    Die Noten könnten ja schließlich durch mehr lernen noch besser sein, ich könnte ja noch einen Tick höflicher und freundlicher sein, auch mein Verhalten und meine Hilfsbereitschaft könnten noch besser sein und dies ganze verfolgt mich bis jetzt ins höhere Alter. Ich war in den Augen meiner Eltern nie gut genug, alles hätte besser sein können.
    Dies merke ich oft noch, wenn es darum geht etwas Neues auszuprobieren, da kommt gleich von innen heraus die Frage, kann ich das überhaupt, bin ich gut genug, schaffe ich das? Und des öfteren siegt der Zweifel.
    Oder die nächste Frage kommt „was denken auch die anderen Leute über das oder mich“ dies war nämlich die nächste große Sorge meiner Eltern, was die Leute denken könnten.
    Aber ich arbeite an mir und versuche dies zu ändern wenn es auch nicht einfach ist.
    Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
    Grüßle
    Uwe

    1. Ja, schon in
      der Schule hieß esmeistens….könnte besser wenn sie wollte.. (so ähnlich).
      Auch daheim hatte ich immer das Gefühl die kleine doofe Schwester zu sein die meistens nur im Weg stand,zu schüchtern zu dies zu das…. Keiner der mal hinter einem stand…
      Irgendwann strengt man sich dann gar nicht mehr an,weils eh keiner sieht. 🤷‍♀️
      Und ich habe auch inzwischen keinen Bock mehr irgendjemand irgend etwas beweisen zu wollen.

  4. Lieber Michael
    Das trifft es ja mal wieder genau auf den Punkt. Ich kenne das ursprünglich aus meiner Kindheit. Und seitdem begleitet es mich überall. Immer werde ich zuerst abgelehnt, muss meine Kompetenz meinen Wert beweisen und dann werde ich gelobt. Dass dieses Lob innerlich bei mir gar nicht gut ankommt, ist mir klar. Nach deinem Blog glaube ich, dass ich vielleicht schon selber irgendwas ausstrahlen, so dass die anderen meine eigene Unsicherheit spüren und mich gleich in Frage stellen. Ich werde das jetzt mal beobachten und versuche mich nicht mehr so unsicher zu fühlen. Denn bei aller Mühe… Ich kann es den meisten trotzdem nicht recht machen. Also fange ich jetzt an, es mir selber recht zu machen! Vielen Dank für den mutmachenden Schubs! Ein wertvoller Hinweis!
    Ich wünsche dir ein schönes Wochenende und sage Dankeschön

  5. Hallo, lieber Michael, ein sehr guter Artikel, der auch auf mich zu traf.
    Meine guten Leistungen wurden nicht bei meiner Mutter anerkannt.
    Man entwickelt dann einen Drang zum Perfektionismus. Und das macht dann auf Dauer krank.
    Ich habe es geschafft, ihn abzutrainieren.
    Darauf bin ich wirklich stolz.
    Ich wünsche dir noch einen schönen Sonntag.
    Liebe Grüße aus dem Norden
    Margret

  6. Vieles zu diesem Thema hat wohl mit der Entwicklung der Menschheit zu tun der man mehr und mehr das eigenständige Denken entzieht oder abnimmt oder abnehmen will. Es ist schlicht ein Akt der Selbstbestimmung ob du dich gut oder weniger gut betrachtest. Was andere denken – wie könnte es wohl Michael ausdrücken – scheiß drauf. Alleine der Fakt das Michael als Motivation schon solche Bücker raus bringt belegt wie sehr der Mensch doch von Umstände gefangen gehalten wird auf die man wahrlich einfach scheißen sollte. Das Thema wie gut man ist ist eine reine eigene Ansichtssache. Leider tut die Gesellschaft viel daran uns andere Dinge glauben zu lassen. Einstein war zweifelsfrei ein Genie aber in der Schule wollte man ihm auf gewisser schulischen Benotung klarmachen das er nicht gut genug sei. Anders erging es Stephen Hawking dem man wohl auslegen wollte das er eine wirklich schlimme Erkrankung hat die vieles angeblich unmöglich mache. Hawking gab aber nicht auf und darf als weiteres großes Genie umschrieben sein. Aber auch Michael und viele andere hier sind kleine-große Genies. Jeder hat so seine „Last“ zu tragen und sicher war und wird vieles nicht einfach. Dennoch gibt man nicht auf macht alles so „gut“ es geht und schafft es mehr oder weniger sein Ziel zu erreichen.

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