In der Hoffnung, dass sie auch dir neue Perspektiven eröffnen…

Wenn man einen Mitmenschen zum Nachdenken anregen will, kann man ihm viele Informationen präsentieren. Man kann ihm ganze Vorträge halten. Oder man stellt ihm einfach eine Frage. Eine gute Frage bringt uns dazu, uns eigene Gedanken zu machen und ein Thema aus verschiedenen Standpunkten zu beleuchten. Das ist das Elegante an tiefgründigen Fragen: Sie auszusprechen, dauert nur wenige Sekunden. Das, was sie auslösen, kann jedoch ganze Jahrzehnte überdauern.

In meinen Coachings gehört das zur gängigen Praxis. Wann immer ich jemanden für ein Thema sensibilisieren möchte, fange ich nicht an, indem ich meine eigene Meinung in den Raum werfe. Stattdessen frage ich nach der Meinung und Einschätzung meines Gegenübers. Das gewährleistet, dass ich die ehrliche Meinung und den Erfahrungsstand einer Person erfahre. Gleichzeitig – und das ist das besonders Wertvolle daran – kommen auch schon die eigenen Gedanken des oder der jeweils anderen ins Rollen.

Doch selbstverständlich bin ich nicht immer nur der, der Fragen stellt. Im Laufe meines Lebens wurden mir viele Fragen gestellt, und manche davon haben mich dazu gebracht, neue Perspektiven einzunehmen und Aha-Momente zu erschaffen. Die Antworten, die ich fand, haben Prozesse ausgelöst, die meine Sicht auf das Leben nachhaltig verändert haben.

Im Folgenden möchte ich 5 dieser Fragen mit euch teilen. Ich werde jedoch nicht einfach nur die Fragen nennen, sondern auch kurz darauf eingehen, warum diese Fragen so viel in mir bewegt haben. Schauen wir sie uns mal an:

 

1. Was würdest du tun, wenn du wüsstest, dass du nicht scheitern kannst?

Als ich über diese Frage nachdachte, stellte ich erstaunt fest, wie viele Antworten ich darauf geben konnte. Es gäbe so vieles, das ich tun würde, wenn Scheitern absolut keine Option wäre. Im Anschluss wurde mir noch etwas bewusst: Es ist unglaublich, wie vieles wir nicht tun, weil wir Angst vor dem Scheitern haben. Denk bitte mal kurz darüber nach: Wie vieles hast du dir bisher nicht zugetraut, weil du Angst vor den negativen Konsequenzen eines Misserfolgs hattest?

Das ist so verrückt, denn in Wirklichkeit ist es gut, zu scheitern. Misserfolge machen uns besser. Sie zeigen uns, wie der Weg zu unserem persönlichen Erfolg nicht aussieht. Sie erhöhen unsere mentale Widerstandskraft. Sie geben uns Wertschätzung für all das, was gut und wertvoll ist.

Wenn wir also niemals scheitern, weil wir Angst vor dem Scheitern haben, entgehen uns zahlreiche Chancen auf persönliches Wachstum. Seit mir das klar wurde, gebe ich der Angst vor dem Scheitern deutlich weniger Raum in meinem Leben und gehe mehr kalkulierte Risiken ein. Für mich hat es sich bisher ausgezahlt.

 

2. Wenn du heute erfahren würdest, dass dein Leben morgen enden wird, könntest du dann guten Gewissens loslassen und gehen?

Wir führen unser Leben und genießen das Selbstverständnis, dass es immer einen nächsten Tag geben wird. Tatsächlich jedoch müssen täglich sehr viele Menschen die traurige Erfahrung machen, dass dieser nächste Tag nicht selbstverständlich ist. Wenn das Leben endet, dann meist sehr plötzlich und unerwartet. Damit möchte ich keine Ängste in dir auslösen, sondern mehr Wertschätzung wecken.

Als ich dieser Frage zum ersten Mal begegnete, wurde mir bewusst, wie viel in meinem Leben „unerledigt“ war. Einerseits gibt es da all die Dinge, die man gesehen und erlebt haben will. Es wäre schade, das Leben zu verlassen, ohne diese Erfahrungen gemacht zu haben. Was mir jedoch viel größere Bauchschmerzen verursachte, wird jeder verstehen, der Verantwortung für andere trägt: Wie hinterlasse ich die Menschen, die mich lieben und für die ich verantwortlich bin? Dabei spreche ich nicht nur von finanziellen und organisatorischen Themen, sondern auch von emotionalen. Könnte ich guten Gewissens gehen und meinen Frieden finden? Würde ich wissen, dass es denen, die ich zurücklasse, gut geht? Diese Fragen haben die Art und Weise, wie ich mit meinem engsten Zirkel umgehe, maßgeblich verändert. Und natürlich bewegten sie mich auch dazu, bessere Vorsorge zu betreiben.

 

3. Wenn ich dir garantieren könnte, dass du 1.000 Jahre lang leben wirst, welchen Einfluss hätte das auf die Rolle des Geldes in deinem Leben?

Ich weiß nicht, was diese Frage in dir auslöst, aber bei mir schlug sie ein wie ein Blitz. Mir wurde schlagartig klar, dass Geld fast jede Relevanz verlieren würde. Der Druck, Karriere zu machen, wäre vollständig weg. Vorsorge-Themen wären für eine ganze Weile vom Tisch. Die Angst, viele Genüsse und Annehmlichkeiten des Lebens zu verpassen, würde auf ein Minimum schrumpfen.
Um ganz ehrlich zu sein: Ich glaube, wenn ich die Garantie bekäme, 1.000 weitere Jahre zu leben, würde ich auf Reisen gehen und mir die gesamte Welt in aller Ruhe anschauen. Viel Geld bräuchte ich dafür nicht, und falls doch, könnte ich es mir unterwegs verdienen und dabei reichlich Lebenserfahrung sammeln.
Was mich davon abhält, es jetzt zu tun? Weil so viel im Leben „geschafft“ werden muss, und das Leben so kurz ist. Nichtsdestotrotz bewegte diese Frage mich dazu, anders über Geld nachzudenken und der Zeit mehr Priorität einzuräumen.

 

4. Falls du am Ende deines Lebens die Möglichkeit hättest, dir dein Leben als einen Film anzuschauen, würdest du ihn gerne sehen, und würdest du wollen, dass andere ihn sehen?

So, wie ich diese Frage interpretiere, wäre es ein Film, der alle Höhen und Tiefen zeigt. Dabei frage ich mich zuerst: Wäre ich bereit dafür? Wie würde ich heute damit umgehen, meine Tiefpunkte noch einmal aus der Perspektive des Beobachters zu sehen? Und, um auf den zweiten Teil der Frage einzugehen: Wäre es in Ordnung für mich, wenn andere das sehen könnten? Schwierig, oder?

Diese Fragen motivieren mich dazu, mir Mühe zu geben, um eine Lebensgeschichte zu erschaffen, die ich später gerne erzählen werde. Sie motivieren mich dazu, das Happy End zu erschaffen, von dem ich glaube, dass jeder aufrichtige und gute Mensch es verdient.

 

5. Wenn du einen Roman schreiben würdest, hätte dein Protagonist ein leichtes Leben?

Ich mag vielleicht kein Romanautor sein, doch diese Frage berührte mich sehr. Mir wurde klar, dass noch kein hervorragendes Buch und auch kein bemerkenswerter Film so verlief, dass der Protagonist mit einem goldenen Löffel im Mund geboren wurde und es anschließend immer nur leicht hatte.

All das Drama, all die Herausforderungen, und vor allem der Weg hindurch sind das, womit wir uns identifizieren. Ohne Drama, Probleme, unerwartete Wendungen und schier unlösbare Herausforderungen wäre eine Geschichte langweilig. Seit mir das bewusst wurde, versuche ich mir zu sagen, dass meine Lebensgeschichte gerade nur mehr Würze und Pfiff bekommt, sobald ich schwierigen Zeiten begegne.

 

Unangenehm, aber wichtig!

Die meisten Leute mögen es nicht, Bestehendes zu hinterfragen. Seine Glaubenssätze, seinen Alltag, seine Beziehung zu anderen, oder auch sein Verhalten zu hinterfragen, bedeutet im Umkehrschluss, an der eigenen Realität zu rütteln.
Ich verstehe, warum so viele es als unangenehm empfinden. Das ändert jedoch nichts daran, wie wichtig es ist, sich hin und wieder tiefgehende Fragen zu stellen.

Die richtigen Fragen können uns aufwecken. Sie erweitern den Horizont, eröffnen neue Perspektiven und zeigen uns manchmal auch, dass wir in Situationen feststecken, die uns nicht glücklich machen. Wir sollten keine Angst davor haben, sondern diese Möglichkeit begrüßen.

Selbstverständlich gibt es sehr viel mehr als nur fünf Fragen, die einen starken Effekt auf uns haben können. Falls dir welche einfallen, setze dich gerne mit ihnen auseinander und finde heraus, was die Antworten darauf in dir bewirken.
Für heute hoffe ich, dass die in diesem Artikel genannten Fragen dich ein wenig inspirieren und auf Ideen bringen.

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

 

Titelbild: Unsplash.com, Sage Friedman