Ein kleines Plädoyer für die Wertschätzung des Lebens…

Als ich 21 Jahre alt war, fuhr ich nebenberuflich Taxi, um für meinen Traum von einer eigenen Firma zu sparen. In dieser Zeit habe ich unglaublich viel über Menschen, aber auch über das Leben gelernt.

An einem Tag holte ich eine junge, attraktive Frau vor einer Arztpraxis ab. Sie verhielt sich merkwürdig ruhig und starrte fest geradeaus. Ich musste sie mehrmals fragen, wohin sie wollte. Nachdem wir schließlich losgefahren waren, hörte ich ein Schluchzen von der Rückbank. Die Frau war in Tränen ausgebrochen. Ich hielt den Wagen am Straßenrand an, drehte mich um und fragte, was denn los sei. Die junge Frau legte ihr Gesicht in ihre Hände und weinte noch schlimmer. Sie schien völlig verzweifelt, also schnappte ich mir eine Packung Taschentücher, stieg aus und setzte mich zu ihr auf die Rückbank. Ich fragte, ob ich etwas für sie tun könne, doch sie weinte nur. Als sie sich endlich ein wenig beruhigt hatte, sah sie mir direkt in die Augen und sagte: „Ich habe gerade erfahren, dass ich bald sterben werde.“

Wie sich herausstellte, hatte die junge Frau sich routinemäßig untersuchen lassen, da sie sich unwohl fühlte. Man überwies sie zu einem Spezialisten, wo man herausfand, dass sie weit fortgeschrittenen Krebs hatte. Man konnte nur noch wenig für sie tun und gab ihr maximal noch ein halbes Jahr.

Ich erinnere mich sehr gut daran, wie mich das damals schockierte. Ihre Aussage traf mich wie eine Ohrfeige und ich hatte keine angemessene Antwort darauf. Also sprach sie weiter: „Ich bin frisch verheiratet. Unser Kind ist nicht einmal ein Jahr alt und wir haben uns gerade ein Haus gekauft. Wie bringe ich das den anderen bei? Was wird aus meiner Tochter werden? Wie soll ich meinen Mann mit all der Verantwortung und dem Schmerz alleine lassen?“

Das Leben wertschätzen

Diese Begegnung hat mich lange beschäftigt und löste in mir viele Gedanken über das Leben und Sterben aus. Es sollte nicht das letzte Mal sein, dass ich mitbekam, wie Menschen von heute auf morgen aus dem Leben schieden oder die Nachricht erhielten, dass ihnen nicht mehr viel Zeit bleiben würde. Ich schätze, das ist der Lauf der Dinge und niemand ist wirklich sicher davor. Doch so grausam das Ganze auch sein mag, finde ich, dass man etwas Wertvolles aus diesen Erfahrungen ziehen kann: Die Wertschätzung für das Leben, das man lebt!

Ist es angesichts all dessen nicht lächerlich, was für ein Drama wir aus dem Alltag machen? Was sind da noch unsere Sorgen auf der Arbeit oder die Frage, wie wir unsere Auto-Kredite abbezahlen sollen? Wenn wir oder Menschen aus unserem direkten Umfeld erfahren, dass unsere Zeit plötzlich radikal begrenzt wird, wünschen wir uns plötzlich, unsere größte Sorge sei wieder der Alltag.

Es macht mich manchmal sprachlos, welche Arroganz wir Menschen bezüglich der Zeit entwickelt haben. Wir verschieben alle wichtigen Dinge auf später, weil wir es für selbstverständlich halten, dass es einen nächsten Tag für uns geben wird. Wir verschwenden unsere Zeit mit sinnlosen Dingen und erlauben es uns, aufgrund sinnloser Konflikte Abstand zu Menschen zu halten, die uns eigentlich am Herzen liegen. Und sobald dann einer von beiden krank oder alt wird, strebt man eine große Versöhnung an und bedauert, sich nicht früher vertragen zu haben. Entschuldige den zynischen Unterton, aber ist das nicht irgendwie doppelmoralisch?

Das Leben findet JETZT statt

So viele Menschen wollen IRGENDWANN ihr Leben verbessern. Sie wollen selbstbewusster werden, ihre Ängste überwinden, bestimmte Ziele erreichen, gewisse Orte bereisen und irgendwelche abgefahrenen Sachen ausprobieren. Irgendwann halt. Aber wann? Und können wir sicher sein, dass „irgendwann“ uns gegeben ist?

Ich möchte nicht darauf hinaus, dass wir ständig Angst vor dem Tod haben sollten. Ganz im Gegenteil. Ich möchte uns daran erinnern, dass das Leben schön ist. Jeder Tag ist eine neue Chance, etwas Herausragendes zu tun und wir wissen nicht, wie viele dieser Chancen uns gegeben sind.

Viele sagen, das Leben sei kurz. Andere meinen, es sei lang genug. Fakt ist jedoch, dass wir es nicht wissen. Und genau das ist der Grund, warum wir immer das Beste aus unserer Zeit machen sollten. Verbringe sie mit Menschen, die dir am Herzen liegen. Mache etwas, das dir wirklich Spaß macht. Und, um Himmels Willen, mach dir nicht immer so viele Sorgen wegen den Nichtigkeiten des Alltags!

Deine Arbeitskollegen sind doof? Das ist nicht dein Problem. Du musst nicht in ihrer Haut leben.
Du machst dir Sorgen wegen der Zukunft? Solange du kein Hellseher bist, solltest du dich mehr um das Jetzt kümmern. Dann hast du automatisch bessere Chancen in der Zukunft.
Du bist unzufrieden mit deiner Situation? Dann übernimm die Verantwortung dafür und fang an, etwas zu verändern. Glaube nicht, dass das von alleine passieren wird.

Das Leben ist schön

Auf unserer Welt läuft Vieles schief, gar keine Frage. Wir könnten uns endlos über die negativen Dinge austauschen, die täglich geschehen. Wir könnten stattdessen aber auch einen positiven Gegenpol bilden. Wir können uns daran erinnern, dass das Leben schön ist. Wir können an all die guten und lebenswerten Dinge denken und unsere Zeit mit allem füllen, was uns glücklich macht.

Und sollten wir dann eines Tages erkennen, dass unsere Zeit sich dem Ende neigt, dann können wir besser damit umgehen. Dann wissen wir, dass wir alles dafür getan haben, ein erfülltes Leben zu leben und ein gutes Vermächtnis zu hinterlassen.

Ich wünsche niemandem, von heute auf morgen mit dem Ende seiner Lebenszeit konfrontiert zu werden. Die letzten Jahre lehrten mich jedoch, dass leider niemand davor sicher ist. Das ist ein guter Grund, das Leben wertzuschätzen und das Beste daraus zu machen.

Ich wünsche euch allen beste Gesundheit, viel Freude am Leben und möglichst viel glückliche und erfüllte Zeit.

Es ist schön, dass du dabei bist.
Michael

 

Titelbild: Unsplash.com, © Javier Allegue Barros